Anti-Jedermann

Er wollte nie reich werden, hatte keine Beziehung zum Geld, verstand Jedermann nicht. Groten hatte voller Euphorie und Interesse ein Unternehmen damals gegründet, das Online-Marketing revolutionieren sollte. Nach zwei Jahren hatten ihm seine Rechtsberater empfohlen, an die Börse zu gehen. Ein Jahr später konnte er mit dem Thema Online-Marketing nichts mehr anfangen und verkaufte alle seine Anteile kurz vorm Zerplatzen der Dotcom-Blase. Er wurde über Nacht zum Multimillionär und unglücklich. So recherchierte er nach Wohltätigkeitsorganisationen und spendete in rauen Mengen. Groten bemerkte, dass er wieder auf dem richtigen Weg war. Als sein Vermögen zur Gänze aufgebracht war, widmete er sich wieder neuen Dingen. Er schrieb über zwei Jahre hinweg ein Buch zum Thema, wie gefährlich Reichtum sein kann. Ein bekannter Verleger bekniete ihn und er gab nach. Es kam wieder wie es kommen musste. Die Verkaufszahlen gingen schnell in die Höhe und nun hatte er wieder den Mammon an der Backe. Diesmal gründete er eine Stiftung, die das Geld weitergeben sollte. Er selbst übernahm in der Stiftung keine Funktion und wollte auch nicht Begünstigter sein. Um sicher zu gehen, dass der Reichtum nicht zurückkehrte, ging er nach Rumänien, um Schafe zu hüten. Er war schon guter Dinge, dass hier nichts passieren könnte. Er hatte aber die Rechnung ohne der Besitzerin der Schafherde gemacht. Diese hatte ihm bei ihrem Tod mangels Erben ein beachtliches Vermögen hinterlassen. Schön langsam wurde Groten ungeduldig. Es gelang ihm wieder nicht, arm zu bleiben. Groten trat nun in ein Kloster, dem er sein Vermögen überschrieb, ein, das schien ihm ein geeigneter Ort zu sein. Nach kurzer Zeit wählten sie ihn zum Abt, was ihn noch nicht beunruhigte. Er führte die Geschäfte besonnen und sein Einkommen war bescheiden. Der Orden wurde aber in dieser Zeit immer reicher. Im Ort gab es schon Gerüchte, dass das nicht mit rechten Dingen zugehet und der Teufel seine Finger im Spiel hätte. Die Ordensleute baten um Verständnis, als sie ihm mitteilten, dass es besser wäre, wenn er den Orden wieder verlassen würde, denn sie wüssten jetzt auch schon nicht mehr, was sie mit dem vielen Geld machen sollten. In seiner Verzweiflung suchte er eine Wahrsagerin auf, die meinte, dass er unbewusst den Reichtum anziehen würde und sie ihn in sieben Sitzungen davon heilen könnte. Er nahm das Angebot an und es schien zu funktionieren. Wichtig für ihn wäre, nur nichts Neues mehr zu kaufen. So hatte er nur mehr Second hand-Klamotten, ein altes, gebrauchtes Fahrrad und ein renoviertes Holzhaus. Nach wenigen Monaten glaubte er, er wäre über dem Berg. Hätte er nur nicht den alten PC vom Recycling-Hof geholt, weil sein altes Geräte kaputt war. Auf diesem PC war auf der Tastatur ein Code angebracht. Der ehemalige Besitzer hatte vor einem Jahrzehnt zwei Pizzen gegen Bitcoins verkauft. Groten gab nun auf, kaufte sich eine Villa mit Infinity-Pool in Bestlage, zwei Porsche, ein Gemälde von Jackson Pollock und einen Privatjet. Zahlreiche Geliebte gab es noch oben drauf und er fand sich nach vielem Hadern damit nach einiger Zeit ab. Das Schicksal ist eben nicht immer gerecht…

Harald, 5. Februar 2021

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