Oldtimer-Rennen

Der etwas in die Jahre gekommene Peter saß in einem grünen, alten Jaguar und versuchte die Bergwertung für sich zu entscheiden. Er lag gute fünf Sekunden in Führung und sah die Menge jubeln. Eine sehr hübsche Frau am Straßenrand winkte dabei besonders heftig mit einer Champagnerflasche und zwei Gläsern in der Hand. Er bremste den Boliden heftig ab, befahl ihr sofort einzuschenken und stieß mit ihr auf den Sieg an. Dass trotz aller Eile er beim Wegfahren nur mehr Vierter war, irritierte Peter nicht, schließlich konnte er ihr sogar seine Telefonnummer noch geben. Eine Minute später war er bereits auf Medaillenkurs und in der letzten Kurve vor dem Ziel ging er in einer Rechtskurve im Drift am Ersten außen vorbei und gewann in bester Champagnerlaune dieses Rennen. Das alles war nun mehr als 20 Jahre her. Peter dachte oft an dieses Rennen und die Frau, mit der er nur eine Nacht verbracht hatte. Er wusste nicht einmal mehr, wo sie wohnte. In der Garage entfernte Peter die Plane, der Jaguar schaute unverändert aus. Wenn er jemals eine Chance haben sollte, diese Frau wieder zu treffen, so musste er nochmals dieses Bergrennen fahren. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig anmelden und fieberte dem Rennen entgegen. Auch diesmal ließ sein Jaguar das gesamte Feld hinter sich. Er konnte es nicht fassen, als er in der selben Kurve eine Frau mit Champagner winken sah. Leider sah er nicht mehr so gut und bremste wieder abrupt ab. Aus der Nähe war ihm klar, dass diese Frau auch äußerst hübsch, aber viel zu jung war. „Was gefährden sie meinen Sieg“, schnauzte er sie bei heruntergelassener Seitenscheibe. Sie schenkte Champagner ein, lächelte und meinte: „Ich hielt meine vor fünfzehn Jahren gestorbene Mutter für eine esoterische Spinnerin, als sie mir erzählt hatte, dass ich meinen Vater bei einem Oldtimer-Rennen kennenlernen könnte, wenn ich mit Champagner und zwei Gläsern auf der Rennstrecke stehen würde. Hallo Papa!“ Peter wurde kurz bleich, erholte sich aber schnell, begrüßte freudig seine Tochter und zog sie in den Wagen. Wenn er es schon bei ihrer Mutter gehörig vermasselt hatte, so wollte er seine Tochter jedenfalls nie aus den Augen verlieren. Er gewann das Rennen, wurde aber wegen der Mitfahrerin disqualifiziert, was ihm herzlich egal war. Dass er von Damen seines Alters oft wegen seiner vermeintlich jungen Geliebten in Cafés und Bars beschimpft wird, stört ihn schon lange nicht mehr. Schließlich lernt er auf diese Weise mehr Frauen kennen, als wenn er es wie die meisten seiner Alterskollegen mit einem Hund probieren würde. Nächstes Jahr möchte übrigens seine Tochter mit dem Jaguar starten, da sie felsenfest davon überzeugt ist, dass ein gut aussehender Mann an der Rennstrecke mit Champagner und zwei Gläsern wartet.

Harald, 9. Juni 2023.

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