Luxusnacht

Ich bin mittlerweile doch als alt zu bezeichnen, zumindest behaupten das immer alle anderen, wobei ich mich gar nicht so fühle. Mit 73 fängt das Leben doch als Milliardär erst richtig an. Jedenfalls kam ich vor zwei Tagen von meinem Schönheitschirurgen, um das eine oder andere Fältchen zu glätten. Schließlich möchte ich neben meiner neuen Frau auch noch was hermachen. Zum Repräsentieren ist das junge Wesen durchaus charmant und witzig, aber im Vertrauen, irgendwie scheint mir die Liebeskunst beim Nachwuchs doch zu wenig vorhanden zu sein. Ich habe wirklich mit meiner Erfahrung mehr als nur eine Nacht versucht, das zu kompensieren, leider immer wieder vergeblich. Jedenfalls flüsterte mir der Schönheitschirurg, dass ich um 25 Millionen Euro eine Luxusnacht bekommen würde, die alles Bisherige in den Schatten stellen würde. Ich sagte sofort zu. Stattfinden sollte das Ganze in Montenegro. „Gut“, dachte ich mir, „wird wohl einen Grund haben, dass es außerhalb der EU liegen soll“ und sah mich hämisch grinsen. Angekommen in einem Hotel wartete ich erst einmal. Bis auf die üblichen Touristinnen war noch nicht viel zu sehen. Vielleicht gehörten die zum Ensemble der Nacht bereits dazu, wobei mich die Anzahl dann etwas zurückschreckte. Ich bestellte Champagner und war mir sicher, dass das Zimmermädchen zur Nacht der Nächte gehörte. Meinen Avancen gab sie nach einigem Trinkgeld nach, aber ganz so anders als sonst war das jetzt auch nicht. Ich trank also weiter kräftig Champagner. Ins Hotel kam noch ein relativ betrunkenes Pärchen, dass ich aber gar nicht weiter einbeziehen wollte, selbst wenn sie für diese Luxusnacht vorgesehen waren. Als selbst auf der Straße noch im Hotel zu später Stunde noch etwas los war, schlief ich betrunken ein. Am nächsten Tag weckte mich mein Handy und ich vernahm die Stimme meines Schönheitschirurgen. „Was sagt Du dazu?“, fragte er freudig. „Naja“, erwiderte ich, „ein Zimmermädchen halt“. „Was interessiert mich dein Zimmermädchen!? Wie findest Du Julia?“, wurde er ungeduldig. Meine Frage nach der gewissen Julia brachte ihn endgültig zum Schreien. Ich sollte sofort zum Hafen gehen und mich nach Julia erkundigen, was ich auch tat. Ich bin nun Besitzer einer weiteren Luxusyacht, habe meinen HNO-Arzt angerufen und wirklich entnervt die Reste des Champagners ausgetrunken. Als meine Frau mich fragte, wie das Wochenende war, meinte ich nur, dass ich vielleicht doch langsam alt werden würde.

Harald, 4. August 2023

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