Immer nur Champagner

Bruno, ein erfolgreicher Politiker, wetterte seit geraumer Zeit gegen sämtliche Privilegien, die Politiker so hätten. Er hätte genug vom Champagner, von öden Empfängen und Einladungen zu Reisen. Es müsste doch mehr geben und er kam auf die Idee, mehr die Sprache des Volkes zu sprechen. Abends zog er durch Gasthäuser, Spelunken und ältere Pubs. Schnell sprach sich seine Volksnähe herum und Bruno wurde zurecht als neuer Kanzlerkandidat bereits gesehen. Nach einem halben Jahr, am Höhepunkt seiner Beliebtheit, glaubte er, dass er über sämtliches Wissen verfügen würde, um das Land endlich zu einem schöneren und lebenswerteren Ort zu machen. Viele Menschen waren dafür bereit, wohl erkämpfte Freiheiten aufzugeben und dafür Politiker zu erhalten, die eben volksnah waren. Bruno besuchte dieses Wochenende noch eine besonders heruntergekommene Spelunke. Freudig wurde er empfangen und er bekam sofort ein Paar Debriziner mit einem großen Bier serviert. Bezahlen musste er dafür nicht. Bruno setzte wieder zu einen seiner Reden an und verteufelte diese champagnertrinkenden, abgehobenen Mitstreiter anderer Parteien, die lieber hackeln und sich dem Gerstensaft wie das gemeine Volk widmen sollten. Wie üblich wartete er auf grölenden Beifall. Diesmal blieb es still. Er hätte wohl etwas missverstanden, meinte eine Runde aus einer der finsteren Ecken. Es würde Ihnen darum gehen, dass auch sie Champagner bekämen und zu Empfängen eingeladen werden. Eine weitere Frau pflichtete der Aussage lautstark bei. Die Stimmung war schnell am Siedepunkt und alle forderten Champagnerempfänge. Bruno sah sich um und bemerkte, dass er der Einzige mit Würstel und Bier war. Auf den Tischen standen Champagnerflaschen, Lachs und Kaviar. Bruno ging mit hängendem Kopf hinaus und wollte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Kanzler werden. Dieses Volk konnte ihm gestohlen bleiben. Er änderte am selben Abend noch das Parteiprogramm und forderte, dass die Privilegien und Champagnerfeiern des Volkes endlich abgeschafft werden sollten. Das Volk sollte sich ein Beispiel an biertrinkenden, würstlessenden Politikern nehmen. Der Erfolg blieb ihm verwehrt. 

Harald, 11. August 2023.