Versunken

Ich versank vor langer Zeit tief im Moorsumpf mitten in Leopoldskron. Meine besten Zeiten in den 1920ern liegen nun mehr als hundert Jahre zurück. Sie rückten mit allen möglichen Gerätschaften vor einiger Zeit an und gruben mich wieder aus. So stehe ich nun aufrechten Hauptes mitten im Park, eine gern gesehene Skulptur. Alle glauben ich wäre tot, aber aus welchem Grund auch immer erwache ich jede Nacht um Mitternacht für eine Stunde und lustwandere durch den dunklen Park. Anfangs fühle ich mich etwas ungelenk, aber nach wenigen Minuten geht es schon recht gut. Gottseidank haben sie mich nicht alleine aus dem Boden geholt, sondern auch noch ganz nette Gefährtinnen. Für mich gehören zum Lustwandeln neben dem Liebesspiel natürlich raue Mengen von Champagner. Die Flaschen holen wir uns aus dem Schloss, der Schlüssel war relativ einfach zu finden. Einer der steinernen Krüge im Durchmesser fast eines halben Meters wird jede Nacht mit unzähligen Flaschen gefüllt und wir schöpfen dann sozusagen aus dem Vollen. Kurz vor 1.00 Uhr bin ich betrunken, habe aber zur nächsten nächtlichen Stunde keinen Kater oder dergleichen. Meine Gespielinnen geht es ganz ähnlich, weshalb wir uns meist jede Nacht nach der vorhergehenden lustvollen Begegnung ziemlich die Kante geben. Für mich hätte das ewig so weitergehen können, wäre nicht der Einkäufer des Schlosses auf den exorbitanten Champagnerverbrauch aufmerksam geworden. So hatten wir vor drei Wochen eine Nacht zur Krisensitzung verwendet. Wir diskutierten alle Möglichkeiten, aber es blieb nur das Schloss als Champagnerquelle über, schließlich haben wir immer nur eine Stunde. Die rettende Idee kam kurz vor der immer wiederkehrenden Versteinerung. Wir luden für nächtliche Sitzungen die Mitglieder der Salzburger Regierungsparteien ein und konnten glaubhaft versichern, dass die nächtlichen Ideen jene vom Tag bei weitem übertrafen. Anfangs kamen nur wenige, nach kurzer Zeit aber war der Garten meist jede Nacht voll. Wie erwartet sind die Parteigranden beim Champagnerverbrauch auch nicht zurückhaltend, weshalb unser eigener Verbrauch nun kaum mehr ins Gewicht fällt. Nachteil ist, dass wir beim Liebesspiel nicht mehr alleine sind, aber auch uns tut ein wenig Abwechslung gut und nächtens werden halt auch Konservative liberal. 

Harald, 25. August 2023.

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