Die Göttin der Fruchtbarkeit

Franz war auf dem Land aufgewachsen und spätestens im Alter von 25 Jahren verspürte auch er den ihm auferlegten Druck, ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen. Ersteres gelang innerhalb von zwei Jahren. Kurz danach heiratete er Lisa, für ihn die Traumfrau, andere rümpften bereits hier ihr Provinznäschen. Lisa mit Rotlichtvergangenheit, Piercing und Hang zum Hardrock sorgten zwar bei seinen Freunden für Anerkennung, deren Frauen verachteten Lisa aber offensichtlich. Als ein Jahr später sich immer noch kein Nachwuchs einstellte, kamen die ersten Kommentare. Franz war wenige Monate später und etlichen Tipps von außen selbst besorgt und wollte keinesfalls die Schulmedizin in Anspruch nehmen, hatten doch in seiner Verwandtschaft schon genug Zwillinge geboren. Auf die Alternative kam er während einer Ghana-Reise. Die Fruchtbarkeitsgöttin Yemayá versprach Abhilfe. Franz baute ihr in seinem Garten einen kreisförmigen Altar und legte dazu auch immer wieder Äpfel, die ihm passend erschienen. Monatelang passierte nichts, zwar ein immer noch aufregendes Liebesleben mit Lisa, aber keine Schwangerschaft. Eines Tages fand Franz vor seiner Tür eine kleine Kiste mit zwei Champagnerflaschen, vermutlich wieder ein blöder Scherz seiner Freunde, auch wenn diesmal ohne Hinweis auf seine Lendenkraft. Franz legte weiterhin Äpfel zu seiner Fruchtbarkeitsgöttin und weitere Champagnerlieferungen beirrten ihn nicht wirklich. Franz war mit seiner Ehe immer noch sehr glücklich während fast das gesamte Dorf ihn ohne Kinder als halben Mann sah. Franz konnte gar nicht mehr den Grund nennen, warum er eines Tages in den Keller ging und mit Lisa einfach auf das Leben anstoßen wollte. Er öffnete den Champagner und nach dem ersten Schluck sahen sie sich tief in den Augen. Auch diese Nacht verbrachten die beiden sehr intim mit wenig Schlaf. Franz war plötzlich klar, jetzt ist der Zeitpunkt da, Yemayá würde ihr Leben für immer verändern. Er dachte an das kommende Kind, die kleine glückliche Familie, das Verstummen der dämlichen Hinweise der anderen. Wieder kam es anders, keine Schwangerschaft, stattdessen sprach ihn seine Mutter unerwartet auf den Champagner im Keller an. Relativ schnell war dann klar, dass dieser aus dem Zweimaster „Jönköping“ stammte, der 1916 von einem deutschen U-Bahn-Torpedo versenkt wurde. Geladen waren unter anderen 2.800 Champagnerflaschen geladen. Franz zählte im Keller nach und mehr als 2.000 Flaschen befanden sich aus den anonymen Lieferungen in seinem Besitz. Als er die erste Flasche um mehr als 15.000 Euro versteigern konnte, war ihm schnell klar, dass sich sein Leben tatsächlich verändern würde. Mittlerweile wohnt er mit Lisa in einer ansehnlichen Villa in der Stadt, Lisa im Westflügel und er im Ostflügel. Nächtens treffen sie sich meist in der Bibliothek und lesen nicht nur. Seine vermeintlichen Freunde von früher trifft Franz kaum mehr, ihre Geschichten über ihre frigiden Ehefrauen, die zu Ostern und zu Weihnachten vielleicht noch Lust verspüren, kann er einfach nicht mehr hören. Den Altar gibt es auch am Villengrund immer noch, mittlerweile fand Franz heraus, dass Yemayá nicht nur die Göttin der Fruchtbarkeit, sondern auch die Göttin des Meeres ist. Sein Altar hatte wohl im Aufbau einen kleinen Fehler, Franz hadert aber mit seinem Schicksal kein wenig.

Harald, 06. Oktober 2023.

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