Renko hatte alles geschafft, was ein Mann schaffen kann. Obwohl er keinen Baum oder ein Kind in die Welt gesetzt hatte, nahm sein Immobilienbesitz Dimensionen an, die er sich selbst nie erträumt hätte. Mit dem Aufstieg kam eine Arroganz, die aber seine Freunde in Kauf nahmen. Schließlich war das Leben an der Sonne der Tristesse des Alltags vorzuziehen. Renko verborgte seinen Privatjet genauso wie seine drei Hubschrauber großzügig und alle kamen so auf ihre Kosten. Vor allem auch er, so genoss er seine Dom Pérignon-Champagnerbäder in Anwesenheit von meist sieben jungen Damen, deren Sprache er zwar nicht kannte, was meist aber an diesen Abenden auch eher nebensächlich war. Dann kam zuerst eine Krise, dann eine Inflation, dann wurde diese bekämpft und dann der Zinssatz für Kredite verdreifacht. Renkos Reich bekam deutliche Risse. Seine Freunde wurden immer weniger, der Privatjet blieb am Boden und nachts konnte er nicht mehr gut schlafen. Die Immobilienbewertung ging in den Keller und die ersten Banken aus Deutschland wollten weiteres Geld sehen. Er selbst investierte sein ganzes Privatvermögen in das Unternehmen, selbst die Villa wurde belastet. Es half nichts, er brauchte nun seine Freunde. Diese kannten ihn plötzlich nicht mehr, versuchten ihr Geld abzuziehen und gaben obendrein noch blöde Ratschläge oder gar unnötige Interviews. Renko war völlig verzweifelt und schwor sich, dass er sein Leben komplett ändern würde, wenn er aus dieser Situation Heil rauskommen sollte. Die absehbare harte Landung führte dazu, dass Renko zum zweiten Mal in seinem Leben in einem Nobelskiort auf der Terrasse saß und sich nur mehr von Kaviar und Champagner ernährte und wusste, dass bald ordinäres Schweinefleisch vom Diskonter auf den Teller kommen würde. Keine Freunde weit und breit, Schadenfreude soweit er blicken konnte. Einzig die jungen Kellnerinnen behandelten ihn wie er es bisher gewohnt war. Am vierten Tag dieser doch eher einseitigen Ernährung klingelte das Telefon. Es war Rasti. „Wie geht’s da denn?“, fragte dieser, „schneits im Herbst eh nicht zviel in Lech?“ Rasti musste selbst über seine Wortspiele am meisten lachen. Renko war aber nicht zum Lachen zumute. Rasti, das muss anerkennend erwähnt werden, hatte für solche Gemütszustände einen siebten Sinn. „Weißt was, ich bin ihn vier Stunden bei dir und den Röller bringe ich auch gleich noch mit“, munterte Rasti Renko auf. Tatsächlich saßen die Beiden mit Renko dann in Lech an einem Tisch und überlegten, wie sie ihm aus der Patsche helfen konnten. Röller sprach von 200 Millionen Euro und selbst Rasti, der finanziell sehr überschätzt wurde, konnte noch 25 Millionen Euro locker machen. Das sollte für Renko reichen und er überstand die Krise nach einer harten Konsolidierungsphase. Zwei Jahre später schien für Renko wieder alles zu laufen. Die Zinsen gingen wieder in den Keller, die Immobilienpreise erklommen Höhen, wie es keiner voraussehen konnte. Die Baufirmen konnten den Bedarf nicht ansatzweise Weise decken, weshalb Renkos Bestandsimmobilien begehrt wie noch nie waren. Alle Freunde von früher kamen wieder. Renko hatte genug von dieser Oberflächlichkeit und schickte alle in die Wüste. Er hatte seine Lektion gelernt. In großer Dankbarkeit überwies er Röller 300 Millionen Euro und Rasti 40 Millionen Euro retour, obwohl diese auf gar keine Zinsen bestanden haben. Für Champagnerbäder verwendet Renko seither nur mehr Moet&Chandon und als Gespielinnen dienen ihm die drei ehemaligen Kellnerinnen aus Lech, deren Sprache er trotz Dialekt auch wunderbar versteht. Dass es immer noch Menschen gibt, die Wasser in ihre Badewannen füllten bzw. erst gar keine besaßen, blieb ihm aber Zeit seines Lebens suspekt.
Harald, 27. Oktober 2023