Einst ging Maurice, der ein Franzose war, in Lynchburg, Tennessee spazieren. In der ganzen Stadt war es verboten, Alkohol zu konsumieren. Diese Hitze, dachte sich Maurice, und nirgendwo ein Sonnenschirm, der mich ein wenig schützt! Ich brauche dringend ein Getränk, das meine ausgedörrte Kehle labt! Er sah sich um, doch um die Mittagszeit war Lynchburg quasi ausgestorben, doch da fiel ihm ein, dass er wie jeder, der aus Frankreich stammt, wenn er im Ausland weilt, in seiner Westentasche für den Notfall einen Flachmann mit sich führte, der gefüllt war mit Champagner. Er ertastete die kleine Flasche, schraubte rasch den Deckel ab und setzte das Behältnis an den Mund. Doch halt! Er zögerte. Auf diese Weise hatte das Champagnertrinken keinen Stil! Ein Trinkglas musste her, in dem der edle Schaumwein perlen konnte bis zur Konsumation. Doch woher nehmen und nicht stehlen, fragte sich Maurice. Um ihn herum war nichts geöffnet, kein Geschäft und kein Lokal. Er hätte keinen fragen können! Plötzlich wusste er sich doch zu helfen. Vorn im Kleingeldfach in seinem Portemonnaie befand sich lange schon ein Fingerhut, der ihm als Trinkglas dienen mochte, und er goß aus seinem Flachmann nicht viel mehr als ein paar Tropfen in den Fingerhut und führte ihn zum Mund und trank. Verdammt, entfuhr es ihm im selben Augenblick. Er hatte nicht bedacht, dass in ganz Lynchburg der Konsum von Alkohol verboten war! Zu spät! Auf einmal kreisten über ihm die ersten Helikopter, auf den Dächern lagen plötzlich Männer, die mit scharfen Sturmgewehren auf ihn zielten. Zwei Vermummte warfen sich mit vollem Einsatz auf Maurice und zwangen ihn zu Boden. Hier in meiner Stadt, erläuterte der Sheriff, als Maurice die Augen wieder aufschlug, werden die, die Alkohol legal genießen dürfen, erst geboren, wenn ich tot bin. Ist das klar? Es war doch, murmelte Maurice, nicht mehr als bloß ein Fingerhut. Ich fragte, ob es klar sei, wiederholte sich der Sheriff, zog aus seinem Halfter seinen Colt und pustete den Fingerhut mit schnellen Salven in ein Rinnsal zum Kanal. Jetzt ist es klar, bestätigte Maurice und klopfte sich den Staub aus seinen Kleidern und verschwand. Das nächste Mal, als er spazieren gehen wollte, tat er dies in der Toscana.
Michael, 22. Dezember 2023
Beim Alkohol verstehen die Amis keinen Spaß. Maschinengewehre kann sich jeder kaufen und Auto darf man ab 16 fahren, aber ein Bierchen draußen trinken – das ist viel zu gefährlich!
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