Es lag eine richtige Kälte mit zweistelligen Minusgraden über dem Land. „Schatz, schau Dir das mal an“, rief Bertholds Frau. Berthold war tatsächlich beeindruckt. Wunderschöne Pflanzen hingen in einem eingefrorenen runden Etwas auf dem Apfelbaum, die dem Winter zu trotzen schienen. „Verschiedene Pflanzen habe ich in der Frisbee-Scheibe, die Du den ganzen Sommer herumliegen hast lassen, samt Aufhängeband eingefroren und am Ast befestigt“, führte sie weiter aus. Berthold gratulierte ihr zu dieser wunderbaren Idee. Seine Kreativität hatte nun Fahrt aufgenommen. Berthold, der alte Champagner-Hedonist, wollte ihr nicht nachstehen und ersetzte jedenfalls schon mal das Wasser durch Champagner. Eine Flasche für die Frisbee-Scheibe, zwei für ihn selbst, um die Fantasie noch etwas mehr anzuheizen. Er schnitt etwas vom Chinaschilf mit dem Namen Champagner im Garten ab und legte dieses in die Frisbee-Scheibe. Das müsste doch passen. „Was würde noch mit Champagner harmonieren“, frage er sich selbst leise und trank gleich nochmal einen kräftigen letzten Schluck aus der ersten Flasche. Er holte etwas Kaviar aus dem Kühlschrank und betrachtete stolz die Frisbee-Scheibe. Mittlerweile war die zweite Flasche geöffnet und er sprudelte weiter vor Ideen. „Käse, ja Käse muss noch dazu“, philosophierte Bertholt. Tatsächlich war sein Werk durchaus gelungen und der Chilikäse peppte die Kreation noch weiter auf. Als die zweite Flasche geleert war, ging Berthold ins Bett. Am nächsten Tag stieß seine Frau einen lauten Schrei aus und er hatte schon größte Bedenken, dass irgendetwas nicht stimmte. „Du hast Dich ja wirklich selbst übertroffen, Schatz“, gratulierte sie ihm neidlos. Tatsächlich war die Form durchaus gelungen und er hängte sie ebenfalls am Apfelbaum auf. Zwischen dem Champagner, der in Bertholds Wahrnehmung auch Perlen zeigte, waren gelbe, grüne und kleine rote Kugeln und zeigten ein buntes Bild, das von einem roten Band umgeben war. An dieses Band verband Berthold vorerst keine besondere Erinnerung. Leider kam diese erst zeitgleich mit dem Tauwetter zurück. Er suchte das Geschenk für den Geburtstag seiner Geliebten und fand es im Geheimversteck seines Kleiderschrankes nicht. Plötzlich hörte er seine Frau im Garten rufen: „Berthold, Berthold, Berthold, wo bist Du?“ Er wusste, dass die dreimalige Nennung seines Namens kein gutes Omen war. „Was macht der rote Damenslip in unserem Garten, der aus deiner halb aufgetauten Champagner-Kreation hängt?“, fragte sie in der Angelegenheit angemessenen Aufregung. Berthold hätte wissen können, dass seine Gattin rein champagnerfarbene Unterwäsche bevorzugte. „Das kann ich mir auch nicht erklären“, antworte Berthold betont ruhig. „Vermutlich ist durch eine Windverwehung die Wäsche der Nachbarin in meiner wunderbaren Kreation gelandet“, hatte Berthold eine Erklärung, „und hätte wohl fast meine Arbeit zerstört.“ „Ich werde ihn gleich morgen der Nachbarin zurückgeben“, meinte Berthold, der augenscheinlich seine Lässigkeit wieder ganz gefunden hatte. Seine Gattin, die Bertholds Windverwehungen schon des öfters erleben musste, zerschnitt den Slip mit einer Schere. „Bei der nächsten Windverwehung reiche ich die Scheidung an“, zischte sie schnippisch. Berthold tröstete sich mit Champagner über diesen harten Winter hinweg. Im Frühjahr, so war er sich sicher, würde der Wind sich schon wieder drehen.
Harald, 12. Jänner 2024.
