Kruzitürken

Kruzitürken

Hans, der den Beginn seiner Pension bereits genoss, war handwerklich nur mäßig begabt und so gerieten die notwendigen Arbeiten am Haus oft zu kleinen Dramen. Viermal wurde er beim Wechseln der Glühbirne elektrisiert, beim Streichen der Außenwände brach er sich zweimal den Fuß und bei der Reparatur des Wasserhahns setzte er das Erdgeschoß unter Wasser. Immer wenn etwas misslang, schrie er laut fluchend mehrmals „Kruzitürken“. Die Nachbarn hatten sich an die Wutausbrüche schon lange gewöhnt und verfolgten auch seine Arbeiten am Haus oft mit großem Interesse, da es meist etwas zu lachen gab. Vor drei Wochen hatte er ein neues Pärchen als Nachbarn, die das Haus ihrer verstorbenen Oma nun nutzten, was Hans nicht weiter tangierte, zumindest bis zu jenem Nachmittag im März. Er wechselte ein paar Bretter am Hochbeet aus und schnitt durch eine kleine Unachtsamkeit das Holz zu kurz ab und am Ende sich auch noch in den Finger. „Kruzitürken, Kruzitürken, Kruzitürken“, schrie er laut. Helga, seine Nachbarin, erkundigte sich sofort, ob denn eh nichts Schlimmes passiert wäre. Hans verneinte und zeigte ihr nur den Finger mit der kleinen Verletzung. Eine Stunde später, er versuchte gerade die Bretter wieder mit ein paar Schrauben zu verlängern, läutete es an der Tür. „Kruzitürken“, fluchte Hans, „nicht einmal bei der Arbeit hat man seine Ruhe!“ Vor dem Haus stand das Nachbarpärchen und grinste ihn aus seiner Sicht grenzdebil an. „Uns ist gute Nachbarschaft enorm wichtig und daher möchten wir kurz mit ihnen sprechen“, stammelten sie unsicher. „Kruzitürken, ich habe jetzt aber keine Zeit“, konterte Hans forsch. „Genau um das geht es. In unserer Generation legen wir sehr viel Wert auf eine nicht diskriminierende Sprache und möchte sie daher lieb bitten, in Zukunft die armen Türken bei ihren Flüchen nicht mehr in den Mund zu nehmen“, führte er aus während seine Freundin eifrig nickte. Hans stand kurz verdattert da und setzte dann an: „Seid ihr wo dagegen gerannt? Ich fluche wie ich will, Kruzitürken. Und jetzt geht wieder heim, ihr Trenza.“ Hans dachte über die Begegnung nicht mehr nach und grüßte die neuen Nachbarn weiter freundlich. Eine Woche später standen sie auf der Straße, als er gerade in seine Garageneinfahrt fahren wollte. „Kein Platz für Nazis“, stand auf ihrem Plakat. Hans nahm auch das nicht ernst bzw. fühlte sich auch in keiner Weise betroffen. Das Schauspiel wiederholte sich nun aber täglich. „Kruzitürken, schleicht euch gefälligst“, fluchte er, als sie sich nun schon vor das Auto warfen und das Plakat hochhielten. Irgendwie verstanden sie das nicht und gaben nicht auf. Hans gab sich beim nächsten Vorfall daher international. „Du Putain, nimm deinen Freund mit seinem kleinen Cazzo und vergnügt euch mit Joder!“, schrie Hans entnervt. Glücklich lagen sich die beiden in den Armen und bedankten sich bei Hans, dass er endlich Einsehen hätte. Nur drei Wochen später zogen die beiden wieder aus, weil es im Haus der verstorbenen Oma spuken würde. In der darauffolgenden Nacht erschien Hans im Traum der Geist der Oma und diese meinte lapidar, dass man sich seine Enkel leider nicht aussuchen könnte und ihre Enkelin schon als Kind besonders nervte. „Kruzitürken“, antwortete Hans, „das kann ich gut verstehen.“

Harald, 08. März 2024.

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