Corvus kam in einem besonderen Vogelei zur Welt und hatte im Geisterreich großes Ansehen. „Deine Aufgabe ist diesmal eine sehr Große“, sprach der Geistervater. „Ich weiß und ich werde auch diesmal erfolgreich sein“, antwortete Corvus. Er sollte Buntheit auf die Erde bringen, was ihm wohlgemerkt als schwarzer Vogel nicht leichtfallen würde. Corvus begab sich zurück auf die Erde und sah tatsächlich nur graue Mäuse bzw. graue Haussperlinge. Interessanterweise schien es sie auch nicht weiter zu stören, sondern sie erledigten jeden Tag sehr ähnliche Dinge und Unterbrechungen gab es kaum. Am Anfang versuchte Corvus mit energischen Geflatter für etwas Stimmung zu sorgen. Bis auf das einer fragte, ob dieser Rabe auf Drogen wäre, erntete er keine Reaktion. Er störte Handy-Bildschirme, versuchte wahllos graue Mäuse mit seinen Ausscheidungen zu treffen, alles führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Corvus musste nach einiger Zeit sich eingestehen, dass diese Aufgabe tatsächlich unlösbar für ihn zu sein schien. Er zog weite Kreise, unter ihm lauter graue Töne, drehte sich um die eigene Achse und flog geistesabwesend zu einer Melodie, die ihm im Kopf herumschwirrte. Er machte sich zurück auf den Weg ins Geisterreich und berichtete dem Geistervater von seiner Niederlage. „Corvus, es ist schön, wenn du dich auch einmal klein machst“, meinte dieser anerkennend. Corvus verstand zuerst seine Worte nicht, bis ihm der Geistervater Livebilder von der Erde zeigte. Es war ein kleiner Junge, der seine Kreise und seine Bewegungen zu einer nur ihm bekannten Melodie auf Video bannte. Nach dem Posting ging das Video völlig viral und die Menschen bewegten sich ähnlich am Boden wie Corvus in der Luft. Dabei wechselten sie auch die Kleider. Gelb, rot, grün, rosa, lila, alles war dabei. Die Onlinezeiten brachen auf ein Zwanzigstel ein und das Leben auf der Erde schien ein einziger Tanz zu sein. Die ihm im Kopf herumschwirrende Melodie behielt Corvus bis jetzt für sich.
Harald, 15. März 2024.