„Da braut sich was zusammen“, meinte Marlene mit leicht zugekniffenen Augen. „Zieht vorüber“, erwiderte Erich. „Nicht das Wetter“, murmelte Marlene. Erich ging in den Wohnraum und sah Richtung Westen. „Nichts Neues“, antwortete er lapidar. Marlene konnte manchmal dieses unglaubliche stoische Verhalten von Erich nur schwer ertragen. Es war, als hätte er schon alles erlebt, alles gesehen, gegen alles gekämpft. Aber sie war nunmal die Geliebte an seiner Seite und wusste, dass die Hauptrolle wohl an eine andere Frau vergeben war. „Ich hasse diese Traumbude“, stieß er hervor. „Warum, ist doch schön hier“, wollte ihn Marlene aufmuntern und sah sich im Wohnraum um. „Das wird kein Erfolg“, gab Erich sich wissend und ging zurück zum Laptop. Er hämmerte in die Tasten und schritt mit seinem Werk zügig voran. „Vielleicht sollten wir nach Paris oder nach Zürich“, fragte sich Marlene laut. „Ja, vielleicht“, antworte Erich etwas geistesabwesend. Marlene rief einen Journalisten an und öffnete eine teure Rotwein-Cuvée-Flasche. Sie sang während des Telefonats mal wieder, was Erich nun doch etwas aus der Ruhe brachte. Als sie auflegte, meinte er: „Das hatten wir zwei alte Seelen doch schon alles durch“. „Ja, du hast Recht, aber auch bei dir ist die Wiederholung das vermeintlich Neue“, schlug sie angesäuselt zurück. Erich dachte nach. Marlene lag wohl in diesem Punkt nicht ganz falsch. „Vergessen wir die auswärtige Affäre und machen etwas Neues“, gab sich Erich plötzlich fröhlich und sah in der Wiedergeburt zum ersten Mal einen gewissen Vorteil gegenüber dem bisherigen Geisterleben in den letzten Jahren. „Im Westen dann aber Neues“, stimmte Marlene zuversichtlich ein. Sie besorgten sich Tickets, gingen auf die Straße und stiegen in den Nachtzug nach Paris. Dort vollendete Erich sein Werk „Im Westen nur Neues“ und Marlene spielte im Film „Der grüne Engel“ die Hauptrolle. Frankreich wurde ergriffen von diesem neuen Traumpaar und selbst Frankreichs Präsident fasste neuen Mut. Diesmal würde nicht alles zerstört, diesmal würden sie ihn aufhalten, viel früher. Und die dunklen Wolken lichteten sich.
Harald, 22. März 2024.