Seit ich denken kann, liebe ich Schnaps. „Vogelbeer“, rief ich in jedem Gasthaus, wenn die Kellnerin nach meinem Wunsch fragte. Jetzt wo der Winter vorbei ist, traue ich mir, über eine merkwürdige Begebenheit bei meinem letzten Skiausflug in dieser Saison zu berichten. Gut gelaunt in einer Aprés-Skibar bestellte ich den wohl neunten Vogelbeer und tanzte vergnügt mit den Bardamen. Ich soff – ja das kann so bezeichnet werden – die halbe Nacht dann weiter mit der polnischen Thekenkraft, küsste sie und am Ende liebten wir uns auch noch auf der Couch. Gut gelaunt machte ich mich dann – soweit meine Erinnerung – schnurstracks auf dem Weg zum Auto. Dieses war nicht schwer zu finden, war doch der Parkplatz nun fast leer. Mit dem Schlüssel – im Anorak nach einiger Zeit gefunden – wollte ich aufsperren. Plötzlich stand vor mir ein Geist, weiblich, schön und jung. Was war das für eine Nacht, zuerst die Polin, dann auch noch ein Geist. Ich grinste mit einem „Hallo“ in ihre Richtung. „Du bsoffener Flachländer fahrst jetzt sicher net mit dem Auto“, bekam ich zur Antwort. Sie würde wohl wissen, wie man einen Mann wie mich aufhalten könnte, meinte ich und steigerte das Grinsen in eine selten gesehene Dämlichkeit. „Was willst denn mit einer Geistin?“, frage sie mich. Ich schmetterte wahrheitsgemäß zurück, dass ich – ich genderte sofort, um sie nicht zu verärgern – mit einer Geistin noch nie was hatte, nur mit einer Fee. „Wennst moinst“, erwiderte sie nun auch grinsend, „du muast aber vorsichtig sein“. „Ja, klar“, stammelte ich und ließ die Hosen ein zweites Mal herunter. Sie verwöhnte mich, ich verwöhnte sie und dann begab ich mich auf die Rückbank, um glückselig einzuschlafen. Nächsten Morgen wachte ich ziemlich spät verkatert auf, stoß trotzdem einen Glücksschrei aus. „Sowas muss ein Mann erst einmal zusammenbringen, zuerst Polen dann im Geisterreich erfolgreich“, murmelte ich benommen. Als es an der Autotür klopfte, öffnete ich. „Danke für diese Nacht”, meinte eine Alte, deren Stimme mir bekannt vorkam. Schnurstracks ging ich zum nächstgelegenen Gasthaus und bestellte einen Vogelbeer, dann noch einen. Nach kurzer Zeit war mir klar, dass die Greisin die Geistin war und mein Gehör aufgrund der lauten Musik letzte Nacht in dieser verdammten Aprés-Skibar etwas beeinträchtigt war. Dass in vier Monaten auch noch die Polin vor der Tür stehen und mir gestehen würde, dass sie schwanger wäre, konnte ich beim dritten Vogelbeer an diesem Tag noch nicht ahnen.
Harald, 12. April 2024.