Dämonenbohrer

Als mir einmal die Teilnahme an einem ökumenischen Exorzistenkurs in Aus­sicht gestellt wurde, fragte ich gleich nach, ob ich auch als Agnostiker angenom­men würde.

Das sei überhaupt kein Problem, beschied mir die freundliche Dame am Telefon. Schließlich könnten auch Ungläubige jeglicher Ausprägung von Dä­monen befallen werden und dann sei es sehr nützlich, wenn man in einer solchen Situation wüsste, was zu tun sei.

Ich ließ mich also in die Teilnehmerliste ein­schreiben und fuhr mit dem Nachtzug nach Rom. Im Vatikan wurde ich freund­lich empfangen und dem Kursleiter und den übrigen Teilnehmern vorgestellt.

Wir würden in annähernd gleich große Gruppen eingeteilt, erläuterte der Kurslei­ter, und durchliefen verschiedene Stationen, in denen vielfältige Exorzismen be­handelt würden. In der ersten Station, die zur Auswahl stünde, ginge es um soge­nannte Dämonenbohrer.

Weil die übrigen Teilnehmer bei der Erwähnung dieses Fachbegriffs sofort ängstlich zusammenzucken, war ich der einzige, der sich für diese Station freiwillig meldete.

Er begrüße meinen Mut, lächelte der Kursleiter. Ich bekäme ausnahmsweise eine Einzelunterweisung. Die anderen würden das Dämonenbohren aber später ohnehin auch noch erlernen, weil alle Stationen für den erfolgreichen Abschluss des Kurses durchlaufen werden müssten.

Ich wurde von einen Gehilfen des Leiters in einen separaten Raum geführt. Der Gehilfe stellte sich mir als Cerebralus vor.

Der Ablauf sei dergestalt geplant, erläuterte er, dass er nun einige Dämonen freiließe, die sich dann in meinem Gehirn einniste­ten. Er, Cerebralus, würde dann mit einem Dämonenbohrer meine Hirnschale anbohren, damit die Dämonen wieder aus mir wichen. Es handle sich um einen Handbohrer und obwohl der Vorgang äußerst schmerzhaft sei, käme eine Nar­kose nicht in Frage, weil durch ein derartiges Hilfsmittel der pädagogische Nut­zen auf der Strecke bliebe. Nur ein Exorzist, der den Schmerz aus eigener Erfah­rung kenne, sei ein guter Exorzist.

Ich schluckte und fragte Cerebralus, ob ich es mir noch einmal überlegen könne.

Dafür sei es zu spät, erwiderte er. Er habe seine Anweisungen. Wenn ich tapfer sei und das Angebohrtwerden aushielte, dürfe ich im Gegenzug unmittelbar danach ihm ein paar Dämonen aus der Schä­delkalotte bohren, damit ich auch die andere Seite kennenlernte.

Als er sich schon an seinem kleinen tragbaren Dämonenkerker zu schaffen machte, um pas­sende Dämonen für mich auszuwählen, riss ich ihm in meiner Verzweiflung den Schlüsselbund vom Gürtel und schloss hastig die Tür wieder auf, die Cerebralus zuvor versperrt hatte.

Ich rannte hinaus auf den Gang und drückte auf die Knöpfe sämtlicher Feuermelder, die mir auf meiner Flucht unterkamen. Die überall in­stallierten Deckensprinkler leisteten ganze Arbeit und setzten das Gebäude unter Wasser.

Ich schaffte es gerade noch bis zum Ausgang, wo ein Schweizergardist mich zur Rede stellte und mich fragte, was drinnen denn los sei.

Irgendein Sabo­teur hätte wohl den Exorzistenkurs aufgemischt, rief ich. Die Veranstaltung fiele wohl ins Wasser.

Als der Wächter ohne zu zögern ins Gebäude stürmte, nahm ich die Beine in die Hand und rannte in die entgegengesetzte Richtung, bis ich siche­ren italienischen Boden erreichte.

Michael, 3. Mai 2024

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