Wassergeist

Jahrelang gab es mit dem Infinity-Pool von Sarah keinerlei Probleme. Die automatisierte Chloreinstellung funktionierte tadellos und der wöchentlich eingeteilte Poolboy machte seine Arbeit nicht nur am Wasser engagiert. Letzten Freitagabend begab sie sich wie Gott sie schuf in das durch die Beleuchtung wunderbar blau-grün schimmernde Wasser und zog im 14 Meter langen Becken ihre Bahnen. Plötzlich fing es an zu blubbern und ein leicht schwefelhaltiger Geruch stieg auf. Erschrocken sah Sarah eine rot-gelbe Figur im Nebel entstehen. „Was soll das?“, fauchte sie das Gebilde an. „Ich bin ein Wassergeist und bin soeben in deinen Pool eingezogen“, kam es zurück. „Kannst Du nicht unten in der Siedlung dein Unwesen treiben?“, versuchte sie eine Lösung zu finden. „Da war ich, aber diese Baumarkt-Pools sind mir deutlich zu klein und zu billig“, konterte der Wassergeist. „Seit wann legen Wassergeister Wert auf Luxus!?“, meinte Sarah. „Seit ich das Auto des Poolboys gesehen habe, dachte ich mir, ich könnte doch mal nachsehen, wohin er fährt und voilà, nun bin ich hier“, schien der Wassergeist durchaus ehrlich zu sein. Sarah hatte nun kurz ihren Ex-Mann in Verdacht, der ihre kleine Affäre mit dem Poolboy damals doch ziemlich aufbauschte und der auch nicht davor zurückschrecken würde, einen Wassergeist zu engagieren, um ihr gehörig auf den Zeiger zu gehen. Jetzt war er nun mal hier und sie versuchte sich mit ihm zu arrangieren. Immer wenn sie mit Bikini ins Wasser ging – nackt fühlte sie sich nicht mehr so wohl, da es sich eindeutig um einen männlichen Geist handelte – war er auch anwesend. Er blubberte, stank unappetitlich und schien sie auch öfters absichtlich unsittlich zu berühren. Nach zwei Wochen hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll. Dem Poolboy erzählte sie in einer intimen Stunde von ihrem Problem. Dieser überlegte einige Zeit und hatte eine brauchbare Idee. Bereits eine Woche später erzählte er am Pool von einem Infinity-Pool, der mehr als doppelt so groß wie dieser wäre. Zufrieden hob Sarah zehn Tage später am Telefon ab. Ihr Ex-Mann fluchte ins Telefon und beschwerte sich, dass ein blöder Wassergeist seine Studentinnen vertreiben würde und so das Ganze nur mehr bedingt Spaß machen würde. Sarah meinte nur, dass er sich als Universitätsprofessor vielleicht andere, gar ältere Liebhaberinnen suchen sollte, die nicht gleich so allergisch auf kleine Unebenheiten des Lebens reagieren würden. „Da spricht ja die Richtige! Wie alt ist dein Poolboy gleich nochmal?“, gab er zurück. Das saß und Sarah verriet ihm, wie er diesen blöden Wassergeist wieder losbringen könnte. Mittlerweile geht dieser in Milliardärskreisen um und so manch einer gönnt diesen, dass auch sie mal vor Problemen gestellt werden.

Harald, 10. Mai 2024.

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