Immer wenn ich Langeweile spüre, treibe ich mich in Möbelhäusern herum und schlage dort die Zeit tot. Drei einschlägige Unternehmen gibt es in unserer Stadt. „Möbel Dünnstuhler“, das „Matratzenschnäppchen“ und die „Grotte aus der Tausendundzweiten Nacht“, in der hauptsächlich orientalischstämmige Mitbürger einkaufen und in der ich persönlich noch nie war. Sehr häufig gehe ich ins „Matratzenschnäppchen“, obwohl ich dort Hausverbot habe, weil ich meistens mit voller Wucht mit meinen nicht immer sauberen Straßenschuhen auf die Betteinlagen springe, um deren Wuppdizität zu testen. Dabei habe ich schon zahlreiche Lattenroste in Sperrholz und manche sogar in Hackschnitzel verwandelt. Mit falschen Bärten in unterschiedlichen Farben und Längen gelingt es mir aber jedesmal wieder spielend, den Sicherheitsdienst des „Matratzenschnäppchens“ auszutricksen. Zu „Möbel Dünnstuhler“ gehe ich weit weniger oft, weil die Stühle, auf die ich mich dort gern zur Probe setze, ohne jegliche Kraftanwendung meinerseits zu Bruch gehen, wenn ich bloß mit meinem Gesäß ein wenig heftiger auf ihnen hin und her rutsche. Es verlängert lediglich meine Langeweile, wenn alles so glatt und mühelos kaputtgeht. Da ich heute weder aufs „Matratzenschnäppchen“ noch auf den „Dünnstuhler“ Lust habe, entschließe ich mich, es doch endlich einmal mit der „Grotte aus der Tausendundzweiten Nacht“ zu versuchen. Ich fahre mit dem Bus hin und will das etwas unheimliche Haus gerade betreten, als der Hausdetektiv, der mich erkennt, weil er früher beim „Matratzenschnäppchen“ gearbeitet hat, mich an der Drehtür abfängt und mich beiseite nimmt. Er schlägt mir einen Deal vor. Er lasse mich hinein, wenn ich ihm verspräche, in der Lampenabteilung zu bleiben und mich dort nützlich zu machen. Ich erkläre mich einverstanden, will aber wissen, was genau es dort für mich zu tun gäbe. Das würde ich bei meinem Talent schon selbst herausfinden, sagt der Detektiv lächelnd und gibt den Weg frei. Ich halte Wort und begebe mich ohne Umschweife sofort in die Lampenabteilung, die vollgestopft ist mit seltsamen antiken Wunderlampen, die mich so stark an Aladins Wunderlampe erinnern, dass ich gar nicht anders kann, als sofort an der erstbesten Lampe zu reiben. Zu meiner Freude erscheint sofort ein Geist. Ich frage ihn gleich, ob er mir die üblichen drei Wünsche erfüllen könne. So einfach sei es leider nicht, seufzt der Geist, er sei nämlich ein verzauberter ehemaliger Filialleiter, den nur ich erlösen könne. Leider funktioniere das Ganze aber nur, wenn ich auch seine drei Kollegen erlöste, die ebenfalls ehemalige verwunschene Filialleiter seien. Im Erfolgsfall würden sie gern über eine Wunscherfüllung nachdenken. Das sei gar kein Problem, erwidere ich. Ich sei bereit und wolle bloß noch wissen, was zu tun sei, um die Erlösung in die Wege zu leiten. Es sei wie Märchen, erklärt der Geist, ich müsse ähnlich wie im Fall Rumpelstilzchen die Namen aller vier ehemaligen Filialleiter erraten, damit sie aus ihrer Geisterexistenz erlöst würden. Ich signalisiere Zustimmung und nenne sofort den erstbesten Namen, der mir in den Sinn kommt: Zwölfaxinger. Der Lampengeist jubelt. Das sei absolut richtig. Er sei der ehemaliger Filialleiter Zwölfaxinger. Ich fühle mich großartig und beschließe aufs Ganze zu gehen. Der nächste Kollege, rate ich, heiße Elfaxinger. Aus einer weiteren Lampe steigt augenblicklich ein weiterer Geist hervor, der mir freudestrahlend bestätigt, dass er Elfaxinger sei. Und nun Zehnaxinger, rufe ich übermütig. Wieder geht alles glatt. Aus der nächsten Lampe fährt ein weiterer Geist heraus, der sich als der ehemalige Filialleiter Zehnaxinger outet. Nun fehle nur noch ein Name, sagt Zwölfaxinger, dann sei das Quartett erlöst. Gerade, als ich im Triumph „Neunaxinger“ ausrufen will, meldet sich in meinem Oberstübchen eine Instanz, die mich warnt, dass in meinen vermeintlichen Erfolgslauf doch auch ein Pferdefuß eingebaut sein könne. Ich denke gründlich nach. „Neunteufel“, sage ich dann im Brustton der Überzeugung. „Der letzte von euch muss Neunteufel heißen.“ Der aufbrausende Jubel ist schier ohrenbetäubend, als der ehemalige Filialleiter Neunteufel als Geist aus einer weiteren Lampe in die Lüfte fährt. „Du hast es geschafft“, rufen die vier im Chor. „In vier Minuten werden wir unsere menschlichen Leiber zurückerhalten. Dafür schulden wir dir tausend Dank!“ „In erster Linie schuldet ihr mir die Erfüllung meiner Wünsche!“, rufe ich. „Zwölfaxinger hat es mir versprochen.“ „Ja, klar“, erwidert der angesprochene Geist. „Kein Problem!“ Die vier fangen an, kompliziert klingende Formeln zu murmeln. Doch noch ehe sie zu einem Ende kommen, schließt plötzlich von der Seite ein sichtlich cholerischer Dicker mit einem Hochdruckreiniger heran und versucht wie wild, uns mit seinem Wasserstrahl zu treffen. „Schnell weg!“, rufen die Geister. „Wenn er uns vor der Rückverwandlung erwischt, lösen wir uns in Nichts auf, ehe wir unsere Körper zurückerhalten.“ Wir nehmen die Beine in die Hand und flüchten Haken schlagend durchs gesamte Möbelhaus, ehe wir keuchend den Ausgang erreichen. Nachdem wir die Drehtür passiert haben, sind die vier Minuten um, und die vier Geister verwandeln sich zurück in vier stattliche ehemalige Filialleiter. Wir verstecken uns im Gebüsch vor dem Möbelhaus. „Wer war der Wahnsinnige?“, frage ich atemlos. „Das ist der aktuelle Filialleiter Maier“, antwortet Zehnaxinger. „Ein völlig spaßbefreiter Choleriker, der eisern seine Stellung verteidigt.“ „Und was ist jetzt mit meinen Wünschen?“, frage ich entgeistert. „Ihr habt doch jetzt keine Zauberkräfte mehr!“ „Wir stellen dir einen Gutschein aus“, antworten die vier unisono. „Irgendwer wird ihn wohl eines Tages einlösen können.“ „Euren Gutschein könnt ihr euch sonstwohin stecken!“, rufe ich. „Wißt ihr was? Ich geh jetzt wieder ins „Matratzenschnäppchen“ und hüpfe dort auf allen Betten.“ „Wir kommen mit!“, rufen die vier ehemaligen Filialleiter, die jetzt wieder ganz normale menschliche Körper haben. „Na, dann!“, erwidere ich aufmunternd. „Ich bin ja nicht nachtragend!“
Michael, 16. August 2024