„Zu Weihnachten wünsche ich mir einen Heiligen Geist“, sagte der kleine Karl-Heinz zu seiner Mutter.
„Was für ein extrem dämlicher Wunsch“, erwiderte die Mutter. „Jeder weiß doch, dass der Heilige Geist zu Pfingsten kommt. Und zu Pfingsten kann man sich gar nichts wünschen! Aber besonders helle warst du ja noch nie!“
„Und wessen Kind bin ich?“, konterte Karl-Heinz scheinheilig. „Deins vielleicht? Kann es sein, dass ich kognitiv einiges abbekommen habe von dir, hm? Die Oma sagt immer, dass du dir als Kind noch weitaus blödere Sachen gewünscht hast.“
„Die Oma, die Oma!“, wetterte die Mutter. „Seit sie wegen wiederholtem Juckpulverschmuggel ein paar Jahre im Knast in Indien verbracht hat, tickt sie überhaupt ziemlich seltsam und redet nur noch wirres Zeug. Und ich durfte mir in Wirklichkeit überhaupt nichts wünschen als Kind, weil wir kein Geld hatten, so sieht’s aus!“
„Und warum nicht? Weil der Opa immer Dollar in Lire gewechselt hat, sagt die Oma, und wieder zurück, und wieder hin und zurück, solange bis nichts mehr da war.“
„Der Opa war eben verwirrt“, sagte die Mutter. „Er hat den Streifschuss an seinem Ohrläppchen im Krieg nie richtig verkraftet und deswegen später jahrelang Klebstoff geschnüffelt. Davon wird man auf Dauer wunderlich im Kopf.“
„Die Oma sagt“, rief Karl-Heinz, „dass du dir als Kind zu Weihnachten einen gebrauchten Eisbrecher gewünscht hast und dass der Opa deswegen sogar ein paar Millionen Lire angezahlt hat.“
„Mein Gott!“, rechtfertigte sich die Mutter. „Das war doch bloß einmal. Und es ist schon so lange her. Und außerdem ist ein Eisbrecher im Winter etwas total Praktisches. Man kann damit bei jeder Witterung durch den Bodensee pflügen, sogar wenn er zugefroren ist.“
„Aber genau das will ich doch auch!“, rief Karl-Heinz. „In den Weihnachtsferien über den zugefrorenen Bodensee flitschen! Und der Heilige Geist soll meinen Schlitten ziehen! Darf ich ihn mir jetzt also wünschen?“
„Ich weiß nicht recht“, zögerte die Mutter. „So ein Geist ist doch häufig ziemlich betrunken, oder? Aber meinetwegen, frag Papa, was er dazu meint.“
„Papa?“, wiederholte Karl-Heinz ungläubig. „Kennt der sich denn mit so etwas aus?“
„Wer, wenn nicht er?“, erwiderte die Mutter. „Er ist doch katholischer Pfarrer.“
Michael, 23. August 2024