Liebesspiel und Spielwiese

„Wer bin ich?“, blickte ich fragend Richtung der Kellnerin namens Anna. „Ein Mann“, schüttelte sie den Kopf. „Das habe ich mir schon gedacht“, reüssierte ich. Nach dem Genuss mehrerer Biere, deren Anzahl ich nicht mehr genau bestimmen konnte, blickte ich Richtung Westen, wo gerade die Sonne unterging. Ein paar Stunden zuvor begann es in Wildshut mit dem Sortenspiel, der Sommerliebe, einer „gmade Wiesn“ und danach wurde ich bereits übermütig. So verlangte ich von der Kellnerin, dass sie Sortenspiel und Sommerliebe mischen sollte. Diese Kreation schmeckte noch besser und es wurden ziemlich viele Gläser der von mir benannten neuen Biersorte  „Liebesspiel“ die Kehle hinunter geleert. Danach verlange ich nach einer „Spielwiese“, eine Mischung wiederum zweier Biersorten. Als mir das noch nicht reichte, wollte ich unbedingt ein „gmades Sommerspiel“. Die Kellnerin murrte nun und machte sich auf den Weg. Und genau zu diesem Zeitpunkt wurde ich aus der Zeit gerissen. Vor mir baute sich ein aus einem rauchenden Zeitloch kommender bärtiger Mann auf. „Kiener mein Name, Gründer der Stieglbrauerei im Jahr 1492“, stellte er sich höflich vor. „Was kann ich für sie tun?“, blieb ich gelassen und möglichst unbeeindruckt. „Du unschöpferischer, fruchtloser und vermutlich impotenter Kerl zerstörst mein bestes Bier“, wechselte jetzt doch schnell die Stimmung. „Ich wollte nur ein wenig kreativ sein“, konterte ich. „Einfallslos, dämlich und schaffensfrei, das ist es!“, meinte der Stieglgründer. Wir diskutierten eine Weile und konnten uns kurze Zeit später darauf einigen, dass er das mit der Impotenz zurücknahm und ich dafür von Mischungen seiner Biere absehen würde. Weiters beharrte er darauf, dass ich auf sämtliche Rechte aus meinen Wortspielen verzichtete. Als im Herbst in Wildshut ein „Liebesspiel“ gebraut wurde und dieses den Absatz deutlich nach oben katapultierte, hatte ich doch etwas Bedenken. Kiener konnte 1492 keinesfalls der Gründer sein und der bärtige Mann sah dem dortigen Braumeister sehr ähnlich. Ich klärte die Sache professionell auf und über das Angebot, lebenslang gratis „Liebesspiele“ zu konsumieren, konnte ich nur milde lächeln. Bei meinem Anteil von zwölf Prozent des Umsatzes war dann aber doch Schluss. Ich fragte Anna mal wieder, wer ich bin. „Ein reicher Mann“, lächelte sie. „Ja, das habe ich mir schon gedacht“, meinte ich unbeeindruckt. Dass wir nun ein Paar waren, hatte mit meinem Geld sicher nichts zu tun. Aber ich glaubte ja auch an den Geist des Stieglgründers eine Zeit lang.

Harald, 20. September 2024.

Hinterlasse einen Kommentar