Als es mit dem alten Lois zu Ende ging, der nichts ausgelassen und zeit seines Lebens gesoffen, gefressen, gehurt, gequalmt, gekifft und gezockt hatte, verlangte er nach geistlichem Beistand.
„Du hast Pech“, sagte ich an seinem mutmaßlichen Sterbebett. „Unser Pfarrer ist gerade nicht da.“
„Einmal, wenn man ihn braucht!“, zeterte Lois. „Wo steckt der Lump?“
„Er wurde nach Rom zitiert, weil er schon wieder angebaut und seine Kinderschar auf ein halbes Dutzend erweitert hat.“
„Dann musst du ihm eben die Krankensalbung spenden, Ferdinand“, sagte Mizzi, Lois’ Frau. „Das bist du ihm als sein Freund schuldig.“
Ich nickte ein wenig betreten.
„Ich will aber keine Krankensalbung!“, schrie Lois in seinem Bett. „Ich will die Letzte Ölung! Ich will vor meinem Abgang anständig geölt werden!“
„Ist schon gut, Lois“, beschwichtigte ich, „dann öle ich dich eben.“
Ich bat Mizzi um etwas Krankenöl.
„Krankenöl?“, wiederholte sie ungläubig. „Wir haben kein Krankenöl im Haus! Rapsöl kannst du haben!“
„Auch sehr gut“, erwiderte ich. „Öl ist Öl in dieser Situation.“
„Unser Rapsöl hat Bioqualität!“, rief Mizzi.
„Sehr fein“, entgegnete ich, während Lois rasselnd hustete. „Beeil dich! Und bring einen Löffel mit!“
Schon wenige Augenblicke später kehrte Mizzi zurück und reichte mir Ölflasche und Löffel. Ich murmelte wie vorgeschrieben drei Sätze, die mir spontan einfielen und die mir kultisch vorkamen.
Als ich Lois mit dem Löffel gerade ein wenig Öl auf die Stirn träufeln wollte, stöhnte er gequält auf.
„Ah, ah, halt ein!“
„Was ist, Lois?“, fragte ich.
„Es ist mein Tinnitus!“, antwortete er.
Nachdem er sich beruhigt hatte, unternahm ich einen neuen Versuch. Wieder unterbrach mich Lois, dessen Gesicht mittlerweile einen Farbton angenommen hatte, der nicht mehr zur Palette des Irdischen gehörte.
„Ah, ah, lass ab!“, schrie Lois.
„Was ist es diesmal, Lois?“
„Mein Dekubitus!“
Ich ließ ihm noch ein wenig Zeit und versuchte es ein drittes Mal. Lois krümmte sich in Agonie.
„Noch nicht, noch nicht!“
„Was ist es nun schon wieder, Lois?“
„Es ist mein Hexenschuss!“
„Beeil du dich nun!“, rief Mizzi. „Er macht es nicht mehr lang!“
Ich nickte und kippte Lois den ganzen Löffel Rapsöl auf die Stirn. Während ich es gründlich verrieb, segnete Lois zuckend das Zeitliche.
„Das war sein Exitus!“, sagte ich dann zu Mizzi. „Mach schnell das Fenster auf!“
Mizzi kam meiner Aufforderung gerade noch rechtzeitig nach. Wir sahen beide, wie aus Lois’ Körper ein Hauch aufstieg, der sich durchs geöffnete Fenster ins Freie schlängelte.
„Er hat sich auf den Weg gemacht, hinüber“, sagte ich zu Mizzi. „Das war sein Spiritus!“
Michael, 20. Dezember 2024