Was die Leute alles verlieren, unglaublich, neulich, ich arbeite im Fundbüro, hat einer angerufen, der hat gesagt, er habe seinen Geist verloren, ob denn einer abgegeben worden sei, er würde selbstverständlich Finderlohn bezahlen, es sei von höchster Wichtigkeit, dass er ihn wiederbekäme, seinen Geist, und überhaupt und sowieso, im Allgemeinen wie im Speziellen, und an dieser Stelle habe ich den Anrufer zum ersten Mal unterbrochen und guter Mann gesagt, woraufhin er mich wieder unterbrochen und mir mitgeteilt hat, dass er sich selber an diesem Tag eher nicht als Mann lese, sondern als non-binär mit signifikanter Tendenz zum Weiblichen, es bleibe aber vieles kompliziert, auch wenn und gerade weil er vielleicht aufs erste Hinhören wie ein Mann klinge, und wenn er seinen Geist noch hätte, könne er sich selber wesentlich leichter lesen, und darum sei es für ihn so wichtig, dass ich ihm gleich Auskunft gäbe, ob wir auf dem Fundbüro seinen Geist für ihn verwahrten, und deshalb würde er mich jetzt ersuchen, dass ich nicht mehr guter Mann zu ihm sagte und ihm so schnell wie möglich seine simple Frage beantwortete, und ich habe mich geräuspert und bin dem Ansinnen nachgekommen und habe gesagt, gute Person, und habe keine Pause gemacht zwischen der Anrede und meinem nächsten Satz, man kann, habe ich gesagt, alles verlieren, wir wissen das, und natürlich auch einen Geist, aber finden und ins Fundbüro bringen könne man nur das, was man sehen könne, einen Geist, der ja unsichtbar ist, also nicht, und als ich das gesagt hatte, habe ich gehört, durchs Telefon habe ich es gehört, dass sich die Person am anderen Ende gekratzt hat, es hat sich angehört, als ob die Person sich an ihrem Kinn kratzen würde, an einem stoppelbärtigen Kinn, um über das nachzudenken, was ich gesagt habe, ich habe das Kinn und das Kratzgeräusch und die von mir vermutete Stoppelbärtigkeit aber nicht erwähnt, weil Stoppelbärtigkeit ja gemeinhin mit Männern in Verbindung gebracht wird und weil die Person an jenem Tag ja partout nicht als Mann gelesen werden wollte, ich habe also gar nichts gesagt und ein Weilchen geschwiegen und das ist im Nachhinein betrachtet gut gewesen, weil die Person dann eingeräumt hat, dass an dem, was ich gesagt habe, etwas dran sei, und dass man einen Geist, den man nicht sehen könne, natürlich auch nicht so mir nichts dir nichts finden könne, und dann hat die Person noch erwähnt, dass sie sich während des Nachdenkens und Kratzens am Kinn, sie hat meine Vermutung dadurch ungefragt bestätigt, auf ein Zierkissen gelegt hätte, und dass unter dem Zierkissen doch tatsächlich der vermisste Geist herausgefahren und in sie, die Person, eingefahren sei und dass sich die Suche nach dem Geist damit erübrigt hätte und ich mir keine weiteren Gedanken mehr machen müsse, weil man einen Geist, der wieder da sei, ja nicht mehr suchen müsse, auch wenn man man ihn gar nicht finden könne, weil er unsichtbar sei, und ich habe es aber so nicht stehenlassen können und habe angemerkt, dass ich entscheidend dazu beigetragen hätte, dass der vermisste Geist wieder da sei, wenn auch indirekt, und dass sie, die Person, durchaus einen Finderlohn zahlen könne, nicht offiziell versteht sich, aber in Form eines kleinen Scherfleins in unsere schwarze Finderlohnkassa, es würde uns jedenfalls freuen, worauf die Person geantwortet hat, dass sie es sich, wenn es uns tatsächlich freue, überlegen wolle, und sie rufe irgendwann wieder an und gebe uns Bescheid.
Michael, 17. Jänner 2025