Faule Fasane

Konrad hatte genug vom Warten auf den Herbst – der Frühling war ihm jetzt schon viel zu langweilig! Mit einem kräftigen „Weidmannsheil!“ begrüßte er seine Jagdkameraden in seiner Mail. Von der Herbstjagd waren noch Zuchtfasane übrig, die Konrad wie Hühner in einem etwas größeren Käfig hielt – quasi die alte VIP-Geflügel-Garde. Jetzt durften die Fasane in einem Feld, das Konrad für die Jagd ausgesucht hatte, frei herumlaufen, um zwei Tage später als Frischfleisch für die Jagd zu dienen. Zwölf Männer und eine Frau – die einzige, die nur wegen des guten Essens kam – folgten Konrads Einladung, der die Nacht zuvor nicht gut schlief und von neuartigen Träumen geplagt wurde. Bewaffnet mit Schrottmunition und Gewehren, die so alt aussahen, dass sie wahrscheinlich schon in der Steinzeit benutzt wurden, umstellten sie das Feld. Konrad versicherte ihnen, dass seine 24 Zuchtfasane noch immer dort waren, weil sie in der freien Wildbahn keine Ahnung vom Überleben hatten – und weil er noch genug Futter verstreut hatte, damit sie nicht verhungerten, während sie auf den großen Auftritt warteten.

Die ersten Schüsse fielen, doch kein Fasan flog aufgeschreckt in die Luft. Ein Jagdkamerad befürchte schon, dass Konrads Fasane wahrscheinlich über den Winter so faul wurden, dass sie lieber im Boden versanken anstatt zu fliegen. „Konrad, Konrad“, rief ein Jäger, „wo sind deine blöden Fasane?“ „Weiter schießen! Die fliegen gleich hoch“, rief Konrad, der fest davon überzeugt schien, dass die Fasane nur auf den perfekten Moment warteten, um sich in die Lüfte zu schwingen.

Nach fast einer halben Stunde Dauerfeuer schaffte es tatsächlich ein Fasan, in die Luft zu steigen. Er flog fast graziös einige Meter über das Feld und schien den Schrottkugeln gekonnt auszuweichen, als wäre er der James Bond unter den Vögeln. „Was hast du denn für merkwürdige Fasane?“, fragte Heinrich skeptisch.

Das Feuer wurde abrupt eingestellte, als der Fasan rückwärts flog – wohl genervt von den Schüssen, dass er wohl einfach nur noch wegwollte. Von vier Seiten schlichen sie sich an, um Fasan-Bond näher zu begutachten, der noch immer keine Scheu zeigte. Als sie näher kamen, stolperte der erste Jäger ins Feld – und landete direkt auf einer mechanischen Vorrichtung, die einen Stofffasan in der Höhe hielt und entsprechend bewegte.

„Skandal! Das ist ein Skandal!“, schrie Heinrich verzweifelt. „Da hast du Recht, Heinrich“, sagte Konrad, „ein Skandal, dass auf diese dämlichen Zuchtfasane Jagd gemacht wird.“ Und so schmiss Konrad seine Schrottflinte Heinrich vor die Füße, jagte später nur mehr Hirsche und gab jedem seiner friedlichen Zuchtfasane zuhause am gleichen Tag noch einen Namen.

Harald, 30. Mai 2025.

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