Norberts Jagd, die voll in die Hose ging

Norbert wurde plötzlich schwarz vor Augen. Er fühlte sich, als würde in einem immer schneller drehenden Karussell sitzen. Dann sank er dramatisch wie ein alternder Fussballer schwalbenhaft zu Boden. Doch von Anfang an…

Es begann alles recht hoffnungsvoll: Ein stilvoller Jagdausflug in seinem Revier. Norbert hatte sich dazu hinreißen lassen, Veronika einzuladen – eine Bekannte mit einem gefährlich subtilen Grinsen, die mit einem Jagdgewehr, Lodenoutfit und einem Land Rover, der aussah, als hätte er gerade die Alpen zu Fuß überquert, erschien.

Norbert war davon natürlich völlig unbeeindruckt. Klar, er war reich – also so richtig reich. Aber die High Society und vor allem deren Outdoor-Hobbys waren ihm suspekt. Trotzdem mochte er Veronika – und das war ihm selbst irgendwie unerklärbar. Wahrscheinlich lag es am Grinsen.

Im Revier angekommen, stapften sie samt Norberts treuem Jagdhund Willy (ein zu klein geladener Labrador mit mehr Elan als IQ, was sich auch hier wieder bewahrheiten sollte) zu einem kleinen See, wo Norbert schon ein paar Lockenten platziert hatte – täuschend echt, zumindest für kurzsichtige Enten oder eben schlecht informierte Hunde.

Weil nur ein paar echte Enten am See waren, holte Norbert seinen Entenlocker aus der Hosentasche (eine Art Duck-Tinder) und begann, lasziv vor sich hin zu „quaken“. Und siehe da – es wirkte! Enten landeten. Das Jagdfieber stieg. Die Tarnschleier wurden übergeworfen, der Gehörschutz aufgesetzt. Norbert quakte weiter, als gäbe es keinen Morgen mehr.

Doch dann passierte es: Jagdhund Willy – offenbar der Meinung, die Enten seien zum Spielen da – sprang voller Begeisterung in den See. Mit der Eleganz eines deutlich betrunkenen Delfins kraulte er schnurstracks zu den Lockenten, was natürlich sämtliche echte Enten in Panik und Flug brachte.

Veronika, ganz Profi, eröffnete sofort das Feuer – während Norbert versuchte, seinem dusseligen Hund mit lauten Schreien Jagderziehung einzutrichtern. Willy, inzwischen tief verheddert in der Leine einer Lockente, sah aus wie ein Feldhase kurz vorm Ertrinken.

Norbert seufzte schwer, spuckte fast den Entenlocker aus – fast – und sprang in voller Jagdmontur in den See, um seinen nassen Chaoshund zu retten. Mit heroischen Schwimmzügen erreichte er Willy weiterhin quakend, befreite ihn und beide schwammen zurück ans Ufer.

Gerade stieg Norbert tropfend, bibbernd und immer noch mit dem Entenlocker im Mund aus dem Wasser – PENG! – traf ihn eine Schrotladung direkt in den Allerwertesten. Er brüllte auf wie ein Stier ohne Narkose bei der Kastration:

„BIST DU NOCH GANZ DICHT?! ICH BIN KEINE ENTE!!!“

Veronika, völlig unbeeindruckt, zog ihren Schleier hoch:
„Tja, mein Lieber, ich musste auf mein Gehör vertrauen – ich konnte nichts mehr sehen, nachdem dieser blöde Tarnschleier verrutscht war. Du klangst sehr überzeugend und ich drückte ab.“

Norbert röchelte vor Empörung. Willy hingegen tat endlich mal etwas Richtiges und suchte brav nach erlegten Enten. Er brachte vier Stück zurück – Veronika hatte offenbar Ohren wie ein Luchs.

Als sie Norbert schließlich mit sanfter Hand das Schrot aus dem Hintern entfernte, schien sein Zorn zu verfliegen. Besonders als sie bei der Gelegenheit „noch mal sicherheitshalber“ seinen ganzen Körper nach weiteren Bleistücken gründlich absuchte, was wenig später in einem amourösen Abenteuer am Ufer des Sees mündete, waren Norberts Gefühl weit weg von jeglichem Groll.

Und Willy? Der winselte nur einmal leise – wahrscheinlich aus Scham – und legte sich dann brav in den Schatten, weshalb auch Willy in Norberts Gunst wieder deutlich stieg.

Harald, 27. Juni 2025.

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