Meine Reise zur zweiten Million: Lektionen von Gollum

In den frühen 90er-Jahren, auf der Jagd nach meiner ersten Million, schreckte ich vor keinem Risiko zurück. Ich investierte erfolglos in Aktien und hatte Pech mit unseriösen Anlageberatern. Doch in den frühen 2000er-Jahren hatte ich endlich meinen Durchbruch. Mein dot.com-Unternehmen konnte ich zum perfekten Zeitpunkt verkaufen.

In den späten 2000er-Jahren, nachdem ich meine erste Million aufgrund amouröser Verwicklungen und zwei Scheidungen erfolgreich verloren hatte, begann ich meine epische Jagd nach der zweiten Million. Mein Gedanke war simpel: „Wenn ich schon beim Verlieren der ersten so viel gelernt habe, wird die zweite sicher ein Kinderspiel.“

Zunächst versuchte ich mich in den 2010er-Jahren als Immobilieninvestor. Ich kaufte ein Haus mit leichtem Renovierungsbedarf und glaubte, die Sanierung durch das Aufstellen einiger Duftkerzen erledigen zu können. Ich konnte mit nur leichtem Verlust wieder aussteigen, aber auf meinen Erfahrungsschatz über das Wuchern von Schimmelpilzen hätte ich verzichten können.

Anfang 2020 hatte ich die Idee einer revolutionären App. Der Petfilter ersetzte bei Tierfotos den Kopf einer Katze oder eines Hundes durch jenen der Besitzerin und bei Fotos des Besitzers kam kopfmäßig sein Tier zum Einsatz. Ich fand das urkomisch, doch durchsetzen konnte sich das leider nicht. Im Gegenteil, ich bekam bitterböse Kommentare. 

Trotz dieser Misserfolge war ich immer noch entschlossen, es noch einmal zu versuchen. Also beschloss ich, mein Glück mit einer kleinen Ziege auf die Sprünge zu helfen, die ich mir extra angeschafft hatte. Ich nannte sie Gollum, in der Hoffnung, dass sie mir einen Schatz bringen würde. Als Influencerin setzte ich große Hoffnungen auf Gollum. Ich war überzeugt, dass sie Insta im Sturm erobern würde, da der Markt für Tiere, die etwas Witziges machen, boomte.

So begann ich, Videos von Gollum zu posten, wie sie Yoga machte. Leider fraß sie nach kurzer Zeit die Yogamatte auf. Also beschloss ich, sie der Nachbarschaft vorzustellen. Aber auch das ging schief, denn sie fraß zielsicher deren Blumen- und Gemüsebeete auf. Die Nachbarn waren nicht amüsiert und verboten mir, auch nur irgendetwas davon zu veröffentlichen.

Trotz dieser Rückschläge gab ich nicht auf. Ich beschäftigte mich noch mehr mit Gollum und musste erkennen, dass sie völlig andere Prioritäten als ich hatte. Erste Anzeichen einer fehlenden Arbeitsmoral entdeckte ich bei meinen neu erstellten Werbevideo für Ziegensocken, die Gollum zu meinem Leidwesen als Hauptnahrungsmittel für sich entdeckte.

Ich erkannte nun, dass Insta das falsche Medium für Gollum war, also wechselte ich zu TikTok. Zu meiner Überraschung ging ein Video viral, in dem Gollum die „herabschauende Ziege“ spielte und dabei wieder mal die Yogamatte verspeiste. Aber der Hype war nur von kurzer Dauer und brachte mir kein Geld ein. 

Zu meiner Erleichterung hatte Gollum zumindest aufgehört, die übrig gebliebenen Socken zu fressen. Stattdessen hatte sie sich zu einer fast philosophischen Ziege entwickelt. Manchmal wirkte sie so, als würde sie über das Leben und Geld nachdenken. „Gollum“, dachte ich, „vielleicht sind wir beide nicht dazu bestimmt, berühmt und reich zu werden. Aber wenigstens haben wir beide viel an Lebenserfahrung gewonnen. Und Socken. Wir haben immer noch Socken.“

Harald, 11. Juli 2025.

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