Neandertaler im Jagdfieber

„Gsztj“, murrte Grug.
„Hä?“, antwortete Groba, der mal wieder keine Ahnung hatte, was Grug eigentlich von ihm wollte. Grug versuchte es nochmal, diesmal mit mehr Nachdruck und einem besonders bedeutungsvollen Blick Richtung Wald: „GSZTJ!

Groba, der später unter dem legendären Namen Grobi von der Höhle bekannt werden sollte, starrte seinen Kumpel verständnislos an, als hätte Grug gerade von besonderen Beeren gegessen.

Grug deutete weiter hektisch in Richtung Wald und begann dabei eine Art rituellen Freudentanz. Groba schielte zum Wald, kniff die Augen zusammen wie ein alter Schamane mit Sehschwäche – doch da war nichts zu erkennen.
„Hä“, wiederholte er – diesmal mit leicht genervtem Unterton.

Grug sprang nun wild gestikulierend in Richtung Wald davon, rief unentwegt „Gsztj!“, als wäre das sein neues Mantra. Groba sah ihm nach, runzelte die Stirn und wunderte sich über die animalische Art seines Freundes ohne dem Ganzen weitere Bedeutung zu geben.

Doch plötzlich! Aus der Richtung des Waldes drangen Laute:
„Gsztj!“ –
GSZTJ!!“ –
AHHHHH!!!

Groba, ein tiefsinniger Neandertaler mit Hang zu spiritueller Selbstoptimierung, schloss die Augen und versuchte, die Geräusche in seine tägliche Meditation zu integrieren. Als die Geräusche jedoch deutlich näher kamen – und das „AHHHH“ mittlerweile in Sopranlage überging – öffnete Groba langsam ein Auge. Dann das andere.
Was er sah, war Grug, sprintend, dicht gefolgt von… Mama Säbelzahntiger.
Groba verstand schlagartig: „Gsztj“ stand offensichtlich für:
„Gehe Säbelzahntiger jagen.“

Ein ambitioniertes Unterfangen, bei dem Grug die Gleichung ohne den weiblichen Faktor gemacht hatte – also ohne die rund 250 Kilo fauchende Mammi, die ihr Junges ziemlich ungern als Grillgut eines aus ihrer Sicht primitiven Neandertalers sah.

Grug verschwand – diesmal endgültig – im Dickicht. Groba verlor an diesem Tag einen einfältigen, aber doch sehr treuen Freund.

Er zog sich aus Trauer in eine Höhle zurück, begann mit Kreide, Blut und Beerenmus zu malen – anfangs nur Strichmännchen mit großen Augen und offenen Mündern. Später dann Tiere, Szenen aus dem Neandertaleralltag, und sogar ein paar abstrakte Werke, bei denen sich Archäologen heute noch fragen, ob er damit den Tod eines treuen Freundes verarbeitet hatte.

Die Werke von Grobi von der Höhle gelten heute als Vorläufer der modernen Konzeptkunst.
Sein berühmtestes Gemälde „Grug vor dem Tiger (Sekunde 0,5)“ erreichte kürzlich bei Sotheby’s den Preis von drei Millionen Euro.

Harald, 29. August 2025.

Hinterlasse einen Kommentar