„Herbert, wir haben ein veritables Problem“, murmelte Johann in das Telefon während er nervös an seinen Fingernägel kaute.
„Du kennst doch den Chefredakteur vom Blend, oder?“
„Ja – wieso?“, fragte Herbert misstrauisch.
„Die schreiben was über unsere Jagdausflüge. Und sie wollen vor Ort ein Interview machen.“
„Das hört sich gar nicht gut an“, seufzte Herbert. „Ruf sofort den Rudi an – der soll die Jagdhütte auf Vordermann bringen und zwar Pronto!“
„Und wo sollen dann die dänischen Studentinnen wohnen?“, fragte Johann trocken.
„Der Blend soll sich auf Wirtschaft konzentrieren, nicht auf Freizeitgestaltung!“, fluchte Rudi, als er von Johann angerufen wurde. Doch er beruhigte sich schnell: „Ich hab da noch ein Chalet in Tirol. Da haben’s nicht so weit nach Innsbruck zur Uni“, grinste er.
Zwei Tage später reiste tatsächlich eine Blend-Reporterin an – blond, sportlich, und so zielstrebig wie ein Aal auf seiner letzten Wanderung. Johann wollte sie gleich zu Beginn mit einem Job als Pressesprecherin ködern – erfolglos. Herbert schwärmte stattdessen von der „Nachhaltigkeit der Jagd“, der „Ruhe des Waldes“ und vom „neuen Lifestyle“.
Als die Reporterin fragte, ob sie ein paar Fotos von der modernen Jagdhütte machen dürfe, nickten alle drei eifrig. Nur Rudi drohte alles zu ruinieren, als er vom geselligen Austausch bei bestem Rotwein zu erzählen begann – inklusive „internationalem Studentinnenaustauschprogramm“. Zum Glück überhörte sie das halb.
Die Reporterin reiste schließlich zufrieden ab. Herbert atmete auf – zu früh. Zwei Tage später klingelte das Telefon.
„Hallo Herbert“, meldete sich der Chefredakteur in fast zu freundlichem Ton.
Herbert spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. „Na, wie geht’s da denn?“
„Bestens, bestens!“, klang es fröhlich zurück. „Unsere Martina hat da was Wunderschönes fürs nächste Cover zusammengestellt – inklusive Fotos aus eurer Hütte!“
„Ach ja?“, fragte Herbert kleinlaut.
„Sag mal, wem gehört eigentlich die Unterwäsche mit dem handeingestickten Max-Schriftzug? Und der Trachtenjanker mit dem Wappen, auf dem dieser komische Vogel drauf ist?“, fragte der Chefredakteur scheinheilig.
„Äh…“
„Und wieso legt eine junge Frau, blond, nordisch dem Johann bei einem der Fotos so vertraut die Hand auf die Schulter? Hat das was mit dem viel beachteten letzten Immobiliendeal in Wien zu tun?“
Eine lange Pause. Dann fragte er den Chefredakteur seelenruhig:
„Was brauchst du?“
„Na ja, du weißt ja, das Zeitschriftengeschäft ist hart…“
Als Herbert auflegte, war ihm klar, dass die Reinigung der Hütte etwas… oberflächlich verlaufen war.
„Wer hat das Putzen übernommen?!“, brüllte er ins Handy.
„Zwei Hausfrauen aus dem Nachbardorf – hundert Euro pauschal!“, erklärte Rudi stolz.
„Hundert?! Du hättest einen Tatortreiniger holen sollen, du Sparfuchs! Einen Tatortreiniger!“, schrie Herbert.
„Du, ich zahl das schon selbst!“, versuchte Rudi zu beschwichtigen.
„Na sicher zahlst du – und zwar 350.000 Euro!“
Wenig später einigte man sich stillschweigend auf eine Spende „zur Förderung journalistischer Freiheit“ in Höhe von über einer Million Euro. Der Chefredakteur zeigte sich dankbar – und die Titelgeschichte widmete sich plötzlich wieder einem altbekannten Skandal: Ein ehemaliger SPÖ-Politiker, ein Porsche und ein paar verdächtig luxuriöse Jagdausflüge.
Johann, Herbert und Rudi prosteten sich am Halloween-Abend erleichtert zu.
„Na siehst“, sagte Rudi, „am Ende bleibt doch alles beim Alten: Nur das Wild wechselt.“
Harald, 31. Oktober 2025.