Ralf war der Inbegriff von „Alpha-Mann“, zumindest in seinem eigenen Kopf: Mitte 40, CEO von 21.500 Mitarbeitern (gendern war für ihn „was für Gutmenschen“), McLaren 570S, Villa mit 450 m² und an seiner Seite eine Geliebte, halb so alt und dafür doppelt so biegsam. Zwei Scheidungen lagen hinter ihm — „beruflich erfolgreich, privat schwierig“, wie er es auf den Punkt brachte. Tatsächlich war er meist einfach nur anstrengend.
Sein Jagdinstinkt funktionierte überall — im Wald, auf LinkedIn und besonders gern im Büro. Und dort stand seine nächste Trophäe an: die CFO-Position. Ralf wollte natürlich seinen 27-jährigen Ziehsohn aus Ebene drei befördern, ein Mann, der nicht einmal eine Excel-Formel ohne AI-Unterstützung hingekriegt hätte, aber loyal war.
Der Aufsichtsrat entschied diesmal anders: Madeleine, 32, kompetent, unbequem, weiblich. Ralf nickte gönnerhaft. „Wenn ihr meint… geben wir ihr halt mal eine Chance.“ Im Hintergrund setzte er sofort seine drei unauffälligen, aber sehr treuen Hyänen aus der Finanzabteilung auf sie an. Machtsport war einfach Ralfs Steckenpferd.
Bei den ersten Meetings ließ er sie schön auflaufen. Ein falsch zugeordneter Betrag? „Tja, Madeleine, so wird das nichts, Zahlen sind halt schon wichtig“, säuselte Ralf, während er innerlich Siegesfanfaren emporstiegen ließ. Madeleine entschuldigte sich ruhig. Fehler eingestehen — unvorstellbar für ihn. Die nächsten Sitzungen? Gleiche Bühne, gleicher Affentanz, gleicher Triumphgrinser.
Bis Madeleine zwei Leute in ihrer Abteilung mit sofortiger Wirkung freistellte, selbst in die Bücher griff – und Ralf munter weiter auf Jägervergleiche machte. „Das ist die Großwildjagd, meine Liebe! Umsätze, Gewinne! Nicht diese pfennigfuchserische Finance-Mentalität!“
Dann kam Meeting Nummer vier. Ralf, gewohnt in seiner Siegerpose: „Da fehlen die Umsätze aus Polen!“ Madeleine, entspannt wie jemand, der weiß, wie die Geschichte enden wird: „Die stehen auf Folie 13.“ Pause. Rascheln. Ralfs Pupillen schrumpften. Seine dämlichen Hyänen hatten offenbar etwas verschlafen.
Und dann ihr Nadelstich mit Skalpell: „Und ich habe mir die Reisekosten angesehen. Interessant, wie viele ‘nächtliche externe Services’ du in Polen konsumiert hast, Ralf.“
Er röhrte wie ein angeschossener Hirsch. „Wir reden hier über zweitausend Euro pro Nacht, typisch Finance-Kleingeister! Zur Wiederholung – das ist eine Jagd mit Großkalibern auf Neukunden, Schätzchen!“
Madeleine lächelte dünn. „Was aber wirklich spannend ist: Die Alpha2-GmbH. Möchtest du uns erklären, warum du über zwei Briefkastenfirmen Geld umleitest?“
Stille. Die Luft konnte man fast schneiden. Ralf nuschelte ein paar „Äh“-Geräusche, warf seinen Männchen-braucht-Hilfe-Blick in die Runde und verließ wutschnaubend den Raum. Die Tür knallte, seine Karriere zerbröselte.
Am Tag ihrer Ernennung zur CEO sagte Madeleine trocken:
„Guten Tag zusammen. Ab heute leben wir Compliance. Gleichberechtigung ist Standard. Und kleine Möchtegern-Jäger — falls hier noch welche rumlungern — können sich schon mal warm anziehen.“
Ralf verkaufte Villa und McLaren, weil selbst die Betriebskosten seine Kontenstände bei weiten überforderten. Seine Freundin war verschwunden (vermutlich mit jemandem, der weniger röhrte), all seine Bewerbungen blieben unbeantwortet. Zwei Monate später trug er Fußfessel statt Manschettenknöpfe und tippte im Keller Blog-Monologe darüber, wie die Welt zu „woke“ geworden wäre — und um viel besser es damals war. Damals, als keiner merkte, was für ein Witz er eigentlich schon immer war.
Harald, 7. November 2025.