Der Platzhirsch bin ich!

„Schau ma mal“, brummte der Nobelgastronom Günther, der in Salzburg ein schickes Hotel mit gehobenem Restaurant betrieb. „wie lange die sich halten.“

Gemeint war das junge Wirtspaar gegenüber, das gerade das kleine Gasthaus „Genussreich“ mit fünf Gästezimmern eröffnet hatte. Trotz ausdrücklicher Einladung war Günther nicht zur Eröffnungsfeier erschienen – stattdessen warb er an diesem Tag mit einem 50-Prozent-Gutschein für sein eigenes Restaurant.

„Ist das wirklich notwendig?“, fragte seine Frau mit spürbarem Unmut.

„Der Platzhirsch bin ich! Des können die ruhig gleich wissen!“, knurrte Günther.

Sie seufzte nur: „Is schon recht …“

Am Mittwochabend versammelte sich wie üblich die Schafkopfrunde in Günthers Stube. Doch diesmal wunderten sich alle über seine mürrische Laune.

„Viel is bei dir aber a net los“, bemerkte Franz und ließ den Blick über den halbleeren Gastraum schweifen.

„Passt schon. Is halt Monatsletzter“, winkte Günther ab.

Franz grinste. „Drüben beim Genussreich kriegst net amoi a Parkplatz mehr.“

Günther fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch. Fuchsteufelswild stürmte er auf die Straße. Der Andrang beim Genussreich war noch größer, als er befürchtet hatte. Gäste, die dort keinen Platz mehr fanden, kamen nicht einmal zu ihm herüber, sondern zogen gleich weiter.

Kurz darauf fuchtelte er vor seiner Frau mit einem neuen Flyer herum.

„Das ist unser neuer 80-Prozent-Gutschein auf ein Essen für zwei Personen.“

„Jetzt reiß dich zusammen!“, fuhr sie ihn an. „Da ist locker Platz für zwei Betriebe!“

Doch Günther war nicht zu bremsen. Am nächsten Tag klopfte er im Genussreich an und fragte ohne Umschweife, was der Laden kosten würde.

„Unverkäuflich“, sagte das Paar wie aus einem Guss. „Das ist unser Lebenstraum.“

Selbst die astronomische Summe, die Günther bot, brachte sie nicht ins Wanken. Also versuchte er, mit Gratis-Glühwein Kundschaft anzulocken – erfolglos.

„Ja soll ich denn alles verschenken? Spinnen die?!“, wetterte er gegen seine Frau.

Die hob nur eine Augenbraue. „Vielleicht liegt’s eher daran, dass dein frisch erlegtes Wild auf der Speisekarte von einem ungarischen Händler kommt, der’s geschmacklich offenbar aus dem 3-D-Drucker zieht. Und von deinem neuen Billigbier reden wir lieber gar nicht.“

Tatsächlich hatte Günther an allen Ecken gespart – außer an Social-Media-Werbung. Und nun ging er sogar aufs Ganze: Er engagierte eine Gruppe fragwürdiger Helfer, die die Online-Bewertungen des Genussreichs nach unten und seine eigenen in den Himmel schrieben.

Dass das nicht gutgehen konnte, merkte er erst, als die Konsequenzen ihn mit voller Wucht trafen. Die folgende Scheidung legte alles offen: Ihm gehörte gar nichts – weder Betrieb noch Liegenschaft. Die wahre Platzhirschin war längst seine Frau gewesen.

Sie übernahm das Ruder, stellte den Einkauf um, entschuldigte sich beim Genussreich und ging fortan selbst auf die Jagd. Sogar die Personalküche beförderte sie aus dem düsteren Keller ans Tageslicht. Unter ihrer Leitung entstand ein weiteres Restaurant, das sie zusammen mit dem Genussreich umsetzte.

Drei Jahre später sprach man in Salzburg bereits vom neuen „Gourmetviertel“ – und die Umsätze schossen durch die Decke.

Harald, 05. Dezember 2025.

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