Gerüche, Geschenke und Glühwein: Ein unvergesslicher Weihnachtsabend

Noch immer ohne ein einziges Weihnachtsgeschenk irrte Ullrich am 24. Dezember durch die Wiener Einkaufsstraßen. Ein Mann, eine Jagd, ein Scheitern nicht denkbar.

Keramikgeschirr für die Mutter – laut einem Künstler „Bitcoin für ältere Menschen“, was Ullrich erstaunlich passend fand. Unterwäsche für die Freundin – rot, obwohl sie violett bevorzugte, aber Weihnachten war schließlich kein Wunschkonzert. Und ein 3D-Drucker für den Sohn, damit der endlich aufhörte, bei chinesischen Versandhändlern zu bestellen.

Das Geschirr – kinderleicht, sogar das gewünschte Muster war lagernd. Der 3D-Drucker: Fünf Minuten, ein Verkäufer, nur Technik – keine Emotion. Dann die Unterwäsche.

Im siebten Dessous-Geschäft war Ullrich innerlich bereits frustriert wie ein Jäger, der seit vier Stunden auf einen kapitalen Hirsch wartete. Entweder rot und geschnitten wie ein wärmendes Lehrbeispiel aus Omas Zeiten oder sexy – aber in Farben wie „Pflaumenlikör“, „Fliederfee“ und „Auberginen-Kompott“.

„Das gibt’s doch nicht!“, rief er der Verkäuferin zu. „Soll ich jetzt durch ganz Wien irren, nur um rote Unterwäsche zu finden?!“

„Rot ist out“, sagte die mittelalte Dame trocken. „Violett ist die Farbe des Jahres 2026.“

„Sicher net“, murmelte Ullrich und verabschiedete sich von jeglicher Hoffnung.

Nach vierzehn weiteren Läden brauchte er Glühwein. Zwei.„Noch einen?“, fragte der Standbesitzer. Ullrich nickte wie ein Mann, der wusste, dass ab jetzt Entscheidungen gefährlich werden könnten.

„Weihnachtseinkäufe?“, sprach ihn eine Frau an, als sie seine Einkaufstaschen sah.

„Ja. Und rot existiert offenbar nur mehr beim Glühwein!“ 

Sie hörte zu, nickte – und flüsterte ihm schließlich etwas ins Ohr. Ullrich musterte sie. Figur passend und Offenheit ausreichend.

Kurze Zeit später standen sie auf der Damentoilette. Ullrich schrieb sich ihre Adresse auf, versprach violetten Ersatz und verließ den Laden mit einer in Klopapier eingewickelten Lösung. Zuhause wurde verpackt. Bescherung.

Der Sohn war mäßig begeistert. „Ohne Filament sinnlos“, murmelte er und verschwand.

Die Mutter musterte das Geschirr. „Farbe passt, Muster nicht. Typisch.“

Sandra roch an ihrem Geschenk. Ullrich ahnte: Jetzt wird’s persönlich.

„Rot? Ernsthaft?“ sagte sie. Nicht erregt. Alarmiert. Er setzte seine Unschuldsmiene auf.

Sie roch nochmal. Reichte es seiner Mutter. „Gebraucht“, stellte diese fest. „Rothaarig. Um die dreißig.“ Stille. Dann Explosion.

„Unterwäsche schenken ist schon grenzwertig! Aber gebraucht?! Rot?! Von wem ist das?!“ Selbst sein Sohn hörte wieder zu. Der Abend war erledigt. Die Mutter reiste ab – mit dem Geschirr und Sandra im Schlepptau.

Sandra warf ihm die Unterwäsche noch ins Gesicht. Ullrich stand zwar nicht darauf, musste aber zugeben: Der Geruch war angenehm, was aber alles nur schlimmer machte. Da vom Glühwein noch genug übrig war, nahm er zwei weitere Tassen.

Die folgende Idee war alkoholisch bedingt logisch. Er läutete bei der Rothaarigen. Emilia öffnete. Er erzählte alles. Sie lachte wirklich herzlich.

Nach einer Viertelstunde sagte sie: „Du solltest mir die Unterwäsche jetzt vielleicht doch zurückgeben.“

Ullrich sah sie an. Dann auf das Stück in seiner Hand. Dann wieder zu ihr.

„Stimmt“, sagte er und legte sie auf den Tisch. Sie schwiegen kurz. Dann sagte Emilia: „Willst du noch einen Glühwein?“ Ullrich nickte, weil es jetzt auch schon egal war und fand diesen Weihnachtsabend gar nicht mehr so übel. Rot – so wurde ihm im Verlaufe des weiteren Abends klar – war offenbar doch nicht völlig out.

Harald, 19. Dezember 2025.

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