Meine Freunde – allesamt Millionäre – kommen auch auf keine guten Ideen mehr. Wir haben uns Eiswasser über den Kopf geschüttet, jeden Tag einen sinnlosen Gegenstand aus unseren Villen entfernt und ohne Handys tagelang gelebt. „Ich habe eine neue Idee“, prustete sich Herbert auf. Manfred und ich waren gespannt. „Sag schon“, forderten wir Herbert energisch auf, da er dazu neigte, selten auf den Punkt zu kommen. „Die Champagner-Challenge!“, rief er erfreut. Mir war die Enttäuschung wohl anzumerken, da Herbert etwas irritiert fortfuhr: „Ziel ist es, eine Flasche Champagner von München nach Paris zu bringen.“ „Wo ist die Challenge?“, fragte Manfred aus meiner Sicht zurecht. „Mit dem Lambo schaffe ich das unter sieben Stunden“, fügte er süffisant hinzu. „Der Lambo gilt aber nicht, es darf nur das erste eigene Auto gefahren werden“, kam Herbert langsam auf den Punkt. „Woher soll ich jetzt einen gelben Golf GTI Color Concept aus dem Jahr 1990 hernehmen?“, fragte ich Herbert. Er fand in wenigen Minuten auf Oldcar die Antwort. Zwei Wochen später standen wir mit unseren Fahrzeugen in München beim Ristorante Martinelli und sorgten da schon für gehörig Aufsehen. Mein GTI mit schwarzen Ledersitzen und Bassboxen wurde nur durch den blauen Manta von Manfred in den Schatten gestellt. Jeder hatte eine Flasche Dom Pérignon dabei und in Paris wollten wir uns dann beim Verjus mit Champagner die Kante geben. Unsere Ehefrauen waren nur mäßig begeistert, aber hielten uns auch nicht auf. Ich startete den Golf mit 115 PS und lächelte. Es war, als wäre ich in einer Zeitkapsel und die ganzen Emotionen kamen mit Urgewalt hoch. Wieder 18, wild und frei, „I was made for lovin‘ you“ aus der Box und beim zweiten Mal Tanken hatte ich auch eine junge Französin aus einem Pariser Vorort neben mir sitzen. „J’aime cette voiture“, hauchte sie. Vom Auto bis zu mir war es nun nicht mehr weit. In Paris beim Verjus angekommen, stellten wir drei fest, dass jeder eine Beifahrerin aufgegabelt hatte. Monique, Agnes und Nathalie waren nur halb so alt wie wir, studierten und liebten Champagner. Wir leerten einige Flaschen und verbrachten herrliche Nächte in Paris. Manfred war der Erste, der seiner Frau mitteilte, dass er nunmehr in einer kleinen Wohnung in Paris leben und ein Café in Kürze mit Nathalie eröffnen würde. Herbert studierte nun in Paris zum Entsetzen seiner Frau, die kurz darauf die Scheidung einreichte, wie seine Freundin Agnes Kunstgeschichte. Mir ging es nicht anders, meine Noch-Gattin war über Monique nur mäßig begeistert und willigte der Scheidung dann schnell ein, konnte sie auch wie bei meinen Freunden die Villa behalten. Monique und ich sind nun relativ erfolgreiche Glückskeks-Autoren. Mit meinen Freunden treffe ich mich zweimal in der Woche. Die Autos fahren wir übrigens immer noch, in Paris nennen sie uns mittlerweile die „les hommes sauvages avec les jeunes femmes et des voitures étranges“. Eine Villa oder eine neue Challenge braucht keiner mehr von uns, Champagner und unsere Mädels reichen völlig.
Harald, 14. Juli 2023.