Sprinkleranlage

Peter sog diesen besonderen Duft des Herbsts in seinem Garten vor einem Apfelbaum, der noch einige überreife, rote Äpfel trug und bereits viele Blätter verloren hatte, genussvoll ein. Es spürte wie er langsam atmete und die Welt ruhiger wurde. Mit bedachten Schritten ging er in die Villa zurück und öffnete eine gute Flasche Champagner. Sein Unternehmen, das 1.300 MitarbeiterInnen beschäftigte, benötigte seine Aufmerksamkeit kaum mehr und so wurden die Champagnerabende gerade in dieser Jahreszeit immer mehr. Als er eines Abends die Zeitung aufschlug, war wieder einmal die Reichendiskussion in Fahrt gekommen. Von Vermögenssteuern, Verbot von Privatjets und übermäßigen CO2-Austoß war zu lesen. Peter arbeitete bis vor wenigen Jahren noch über 80 Stunden pro Woche und verstand diese Debatte nicht. Kaum einer der Reporter hat ihn jemals gefragt, wie er sein Unternehmen aufgebaut hatte, welche Tipps er geben könnte oder dergleichen. Um sich abzulenken, hatte er nach seiner Zeitungslektüre eine Idee. Er bestellte sich drei Champagner-Fässer von Fallet- Prevostat. Dieser Champagner in Holzfässer hatte eine sehr besondere Note, die den Duft des Spätsommers weiter verstärken würde. Zwei Tage später konnte er die Champagnerfässer bereits an seine Sprinkleranlage anschließen und er lief nackt und freudig durch den Sprinklerregen im Garten und genoss dieses besondere Bouquet aus der Mischung von Apfelbaum, Laub und Champagner aus dem Holzfass. Irgendein Nachbar musste ein Foto gemacht haben und zwei Tage später wurde dieses Bild für diese Neiddebatte missbraucht. Peter machte das traurig, er hatte doch keinem geschadet. Millionäre wüssten nicht mehr wohin mit ihrem Geld, Dekadenz ohne Ende und kein Schamgefühl waren noch die netteren Aussagen. Als eine Woche später ein nicht allzu kleiner Mob direkt vor seiner Villa die Enteignung forderte, reichte es Peter endgültig. Er beauftragte seine beiden Direktoren, die Verlegung des Unternehmens in die Schweiz zu forcieren. Weiters sollte die Immobilienmaklerin für den schnellen Verkauf seiner Immobilien hier im Land sorgen. Ein Jahr später saß Peter wieder im Herbst gemütlich vor seiner Villa am Genfer See, sein Unternehmen in der Nähe von Zürich lief auch in dieser Gegend bestens. Die Champagnerfässer waren wieder an der Sprinkleranlage angeschlossen und er startete ins Vergnügen. Überglücklich kam er zurück in die Villa, nur mit einem Handtuch bekleidet, als er auf seine Reinigungskraft stieß. „Darf ich Sie etwas fragen?“, stieß sie vorsichtig hervor. Er dachte, dass jetzt gleich wieder die Reichendiskussion von vorne beginnt und antwortete trotzdem mit „Ja“. „Darf ich auch einmal durch den Champagnerregen laufen?“, setzte sie fort. Peter bejahte ihren Wunsch ohne lange zu überlegen und schaltete den Champagnerregen wieder ein. Er hatte selten eine so glückliche Reinigungskraft erlebt. Seit diesem Tag lädt seine Reinigungskraft nach seiner Zustimmung immer am Donnerstagnachmittag einige Freundinnen ein und sie laufen allesamt nackt durch seinen Garten und versprühen im wahrsten Sinne des Wortes Champagnerlaune. Dass sein ehemaliges Heimatland von Inflation, Rezession, Demokratiemüdigkeit und hoher Arbeitslosigkeit geplagt ist, ist für Peter keine Genugtuung, sondern eine Warnung, einfache Lösungen immer zu hinterfragen.

Harald, 08. September 2023.

3 Kommentare zu „Sprinkleranlage

Hinterlasse eine Antwort zu Harald - Literarisches Geflüster Antwort abbrechen