Ein Zigarettenautomat veränderte mein Leben

Sonntag früh gerade aufgewacht ging ich auf die Straße, um mir Zigaretten zu holen. Die Nacht gestern war lang und die Frau in meiner Wohnung mir gänzlich unbekannt. Ich hustete und warf in den Automaten ein paar Münzen. „Wie kann ein Mann nur so auf die Straße gehen?!“, hörte ich eine Stimme. Diese konnte wohl nur aus dem blöden Zigarettenautomaten kommen und sollte wohl dazu dienen, Zigarettenrauchern das Leben noch schwerer zu machen. „Mir wurscht“, antwortete ich im österreichischen Dialekt. „Was soll das denn heißen?“, wurde ich nun gefragt. „Dass es mir egal ist“, übersetzte ich, fragte mich nun aber doch gleichzeitig, warum ich eigentlich mit einem Automaten sprach. Also drehte ich mich um und ging wieder zu meiner Wohnung, in der Hoffnung, die Frau würde das Weite gesucht haben. „Und Du glaubst, dass Du in diesem Look etwas aus deinem Leben machen kannst?“, wurde ich im Gehen weiter belästigt. „Weiß ich nicht, was meinst denn Du?“, fragte ich zurück. „Also als erstes kaufst Du Dir eine Hose, die ich als urban durchgehen lasse. Dazu ein entsprechendes Sakko vom Herrenausstatter“, wies mich die Stimme an. Den Sonntag vormittag verbrachte ich noch damit, die mir unbekannte Frau aus meiner Wohnung zu bringen. Am Nachmittag schlief ich nochmals ein und ging tatsächlich bereits am Montag zum Einkauf. Mit eleganter Hose und passendem Sakko wurde ich im Büro sofort angemotzt. Eine der jungen Gründer meinte, dass wir doch hier einen lockeren Stil bevorzugen und dass das wohl nicht ganz so passen würde. Auf die ehrliche Frage, ob er hier nicht in Wirklichkeit konservativen Anpassungsscheiß mit locker verwechseln würde, gab es eine sehr patzige Antwort, was zu einer weiteren Diskussion führte und mich am Ende meinen Job kostete. Unzufrieden ging ich nach Hause und murmelte: „Das ist es also, was ich aus meinen Leben machen soll? Arbeitslos und kein Geld?“ „Also beruhige Dich mal, alles was ich sage, ist im Übrigen nur gültig, wenn ich es sage. Sprich, du hättest Dich am Sonntag so kleiden sollen“, antwortete die mir bekannte Stimme. „Ha, das sind ja schöne Tipps, darauf kann ich getrost verzichten“, trotzte ich vor mich hin. „Geh doch jetzt mal nicht in deine Wohnung, die im Übrigen nicht gut riecht, sondern setze Dich doch mal in ein Café, beispielsweise hier an der Ecke“, gab die Stimme nicht auf. Also bestellte ich einen kleinen Espresso und nach kurzer Zeit wurde ich von einer Dame angesprochen, was mir tagsüber überhaupt noch nie passierte. „Ihnen fehlt ja nur mehr die passende Uhr“, meinte sie nach einiger Zeit. Eine Stunde später trug ich auf der linken Hand eine hübsche Rolex. „Vielleicht hat der Automatengeist doch Recht“, dachte ich jetzt tatsächlich nur kurz. „Sicher habe ich Recht. Ich bin umgeben von jungen und schönen Menschen, Hässlichkeit ist mir ein Graus“, bekam ich wieder eine Belehrung. Diese Frau faszinierte mich in den nächsten Wochen immer mehr und ich kannte sogar ihren Namen. Statt Zigaretten rauchte ich nur mehr Zigarren. Selbst Kinder schloss ich nicht mehr aus. „Wenn mein Kind mir überlegen wäre, wäre mir das nicht recht gewesen und wenn es mir unterlegen wäre, hätte es auch nicht gepasst. Also Hände weg von Kindern“, erhielt ich den nächsten ungefragten Ratschlag. Mit dem Automatengeist führte ich noch viele Gespräche, irgendwie schien er mich doch wenngleich auf ungewöhnliche Weise auf die richtige Bahn zu bringen. Ich war innerhalb eines Jahres nun erfolgreicher Unternehmer, immer passabel gekleidet und hatte eine Frau an meiner Seite, der das Geld nie auszugehen schien. Als ich den Automatengeist einmal als überheblich bezeichnete, erfuhr ich endlich sein wahres Ich: „I’m very much down to earth. Just not this earth. Und behalte mich als Karl in Erinnerung. Ich muss mich nun um weitere Männer in Jogginghosen kümmern, die jegliche Kontrolle über ihr Leben verloren haben“. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, die Welt würde tatsächlich etwas besser und modischer.

Harald, 12. Juli 2024.

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