Hans als geborener Schnäppchenjäger war erbost. Hatte doch sein Lieblingslebensmittelgeschäft tatsächlich eine App eingeführt, die verhinderte, dass 25-Prozent-Aufkleber mehrfach verwendet werden konnten. Auch wenn ihn die Kassierinnen schon gut kannten und wussten, dass der völlig zerknitterte und kaum mehr am Produkt haltbare Aufkleber wohl das zehnte Mal verwendet wurde, taten sie immer lächelnd so, als ob sie davon keine Ahnung hätten. Hans holte sich Hilfe von seiner Nachbarin Erika, da er mit der Installation der App bereits größte Probleme hatte. Erika, Anfang sechzig, mit einem Faible für Gartenarbeit und Digitalfotografie, war zwar keine IT-Expertin, aber immerhin stolze Besitzerin eines 11“-Tablets und eines Streaming-Abos, was Hans‘ Hoffnung doch weckte.
„Also Hans“, sagte Erika während sie sich ihre Lesebrille zurecht schob, „du hast dein Passwort „Wurst123“ nicht gespeichert. Kein Wunder, dass du dauernd ausgesperrt wirst.“ Hans murmelte etwas von „praktisch“ und „leicht zu merken“, während Erika die App nochmals installierte. Schon bald hatte sie sich durch die Registrierung geklickt, wobei Hans ihr ständig kritisch über die Schulter blickte und versuchte, etwas davon zu verstehen.
„Schau, jetzt kannst Du die Aufkleber einmal scannen und verwenden. Das speichert das System“, sage Erika sehr sachlich.
Hans ließ sich nicht entmutigen. „Dann eben anders“, murmelte er finster und starrte auf seinen Notizblock, wo er bereits eine Liste mit benachbarten Filialen dieser Lebensmittelkette skizzierte. Am nächsten Morgen stand er in einem anderen Stadtteil vor einer Filiale. Er nahm ein teures Produkt und scannte den 25-Prozent-Aufkleber. Grinsend fuhr so schnell es nur ging zur nächsten Filiale. Und tatsächlich konnte er – es waren wohl nur zwei Minuten dazwischen – den selben Aufkleber mittels App ein zweites Mal verwenden. Doch das System war dann doch cleverer, als er dachte. Nach dem dritten Versuch in einer weiteren Filiale fünf Minuten später erschien eine Meldung: „Anomalie erkannt. Alle Rabatte vorübergehend gesperrt.“
Erika bekam am selben Abend einen aufgebrachten Besuch. Hans mit rotem Kopf, die App auf dem Bildschirm mittlerweile eingefroren.
„Die verfolgen mich! Das ist doch Datenschutzverletzung!“ rief er. Erika schüttelte den Kopf.
„Hans, vielleicht ist es Zeit, wieder normal einzukaufen – oder einfach nur das zu nehmen, was du wirklich brauchst.“
Hans schwieg einige Minuten. Dann sah er erfreut auf.
„Ich brauche einen neuen Plan. Weißt du zufällig, ob man diese Aufkleber mit einem Fotodrucker selbst herstellen kann?“
Erika bat Hans höflich, aber bestimmt, zu gehen. Für Erika war klar, dass sich Schnäppchenjäger nicht mit der Liebe vertrugen.
Harald, 01. August 2025.