Zwei Millionen, murmelte der Unternehmensberater Georg, der vor kurzem fünfundsechzig geworden war. „Aber trotzdem interessant.“
„Was sind schon zwei Millionen gegen ein lebenslanges Glück“, pitchte der Immobilienmakler weiter. „Stellen Sie sich vor: Die Sonne geht unter, ein lauer Herbstabend, der Himmel in Gold und Rot, sie sitzen auf Ihrer Dachterrasse, ein Glas Rotwein in der Hand.“
Georg mochte den Herbst. Und er mochte Wein.
„Vom Ausblick ganz zu schweigen“, schwärmte der Makler weiter, als sähe er die Szene selbst vor sich. Georg glaubte ihm jedes Wort. Nicht nur wegen der Immobilie, sondern wegen der Aufrichtigkeit in der Stimme des Mannes – so etwas begegnete ihm bisher selten in seinem Geschäft.
Drei Wochen später stand der Kaufvertrag. „Ein guter Kauf!“, hatte der Makler gesagt, mit einem zufriedenen Nicken. Und so übersiedelte Georg – mit einer Mischung aus Skepsis und kindlicher Neugier – in eine ihm völlig fremde Großstadt. Er rechnete mit allem, hielt für alle Fälle noch eine halbe Million in Reserve.
Doch nach drei Monaten hatte er keinen Grund zur Reklamation. Alles war perfekt. Es war Herbst, die Sonne schien, der Wein schmeckte, und die Aussicht raubte ihm jedes Mal den Atem. Seine Ex-Frau hatte einmal gesagt, man könne Glück nicht kaufen. „Wenn sie nur wüsste“, murmelte Georg an einem Oktoberabend in die untergehende Sonne. Der Infrarotstrahler wärmte ihm den Rücken, und er fühlte sich – zum ersten Mal seit Jahren – angekommen.
Er wollte eigentlich kürzertreten. Weniger arbeiten, mehr leben. Doch die Stadt, die Menschen, die Energie – all das zog ihn wieder hinein. Ohne große Mühe ergaben sich neue Aufträge, lukrativ, spannend, und vor allem sinnvoll.
Es ging ihm nicht ums Geld, vielleicht hatte es das nie getan.
Als er eine halbe Million an eine Organisation spendete, die Kindern auf der ganzen Welt half, fühlte er etwas, das er lange vermisst hatte: Dankbarkeit. Vielleicht war es das. Oder vielleicht war es die Hand seiner neuen Freundin auf seinem Rücken, die ihn für einen Moment so tief berührte, dass alles andere bedeutungslos wurde.
Er lächelte. „Zwei Millionen“, sagte er leise in die Dämmerung, „waren wohl die billigste Investition meines Lebens.“ Und irgendwo zwischen den Lichtern der Stadt und dem letzten Rest des Sonnenuntergangs wusste Georg, dass er endlich aufgehört hatte, dem Glück hinterherzujagen – weil es ihn längst gefunden hatte.
Harald, 10. Oktober 2025.