Herr Emm hatte die Angewohnheit, an Preisausschreiben teilzunehmen. Ein harmloses Vergnügen, das ihm aber verleidet wurde, als der seiner Wohnung gegenüberliegende Postkasten von eben dieser Post demontiert wurde. Doch nicht nur dieser, nein, auch alle anderen an seinen tagtäglichen Wegen gelegenen Postkästen waren den Emails gewichen. So sammelte Herr Emm weiterhin fleißig die Teilnahmekarten diverser Preisausschreiben, um sie nach Einsendeschluss dem Altpapier zuzuführen, nicht ohne jedes Mal dabei einen tiefen Seufzer auszustoßen.
If you can’t beat them, join them. Dieser triviale Satz, in irgendeinem Forum aufgeschnappt, brachte Herrn Emm dazu, sich Internetgewinnspielen zuzuwenden. Wenn es ihm schon die Postkästen genommen hatte, sollte es zumindest von nun an seine virtuellen Teilnahmekarten transportieren.
Das Porto, das er dafür bezahlte, war seine Emailadresse, und schon bald füllte sich seine Inbox mit allerhand informativen Nachrichten und Produktinformationen. Auch hätte er die Bekanntschaft zahlreicher junger Damen, die vor Leidenschaft geradezu dahinschmolzen, machen können. Nur durch Bekanntgabe seiner Kreditkarteninformationen hätte er den Schlüssel zu den exotischsten Freuden in Händen halten können, was Herr Emm sich aber versagte.
Eines Tages lag in seinem Hausbriefkasten ein gelber Zettel, der Herrn Emm aufforderte, ab dem nächsten Werktag, neun Uhr morgens, eine an ihn adressierte Postsendung abzuholen, deren Übergabe Herr Emm durch eigenhändige Unterschrift zu bestätigen habe.
So hielt Herr Emm am nächsten Tag ein flaches Paket von ungefähr 35 mal 55 Zentimetern in seinen Händen, für dessen Übernahme er pflichtschuldigst seinen zerfledderten Führerschein vorwies und dieselbe er mit seiner schwungvollen Signatur quittierte.
Wieder zuhause besah sich Herr Emm das Paket genauer. Absender war ein Marketingunternehmen in einer ländlichen Gemeinde, dessen Namen Herrn Emm nicht wirklich etwas verriet. Also öffnete Herr Emm den Karton und hielt zu allererst einen an ihn adressierten Brief, der Herrn Emm mitteilte, dass er bei dem Online-Gewinnspiel einer bekannten Bierbrauerei beiliegenden Preis gewonnen habe, in Händen. Das Marketingunternehmen wünschte Herrn Emm, auch im Namen der Brauerei, noch viel Spaß mit seinem Gewinn und hoffte, dass er den Produkten besagter Brauerei gewogen bliebe.
Herr Emm grub tiefer in das Paket und förderte ein Blechschild zutage, gerade so eines, wie man es früher, als man noch rauher schreiben durfte, in rauen Mengen neben den Türen von Gaststätten sah und mit denen der Gast auf die Biermarke des jeweiligen Hauses aufmerksam gemacht wurde. Natürlich eine Reproduktion, emailliert und nicht bedruckt , ein edles und gleichzeitig dekoratives Stück. Rostfrei.
Herr Emm wußte augenblicklich was zu tun war, und wenn er einen Plan gefasst hatte, ließ er ihn nicht mehr los. Einige Tage und etliche Telephongespräche später hatte Herr Emm etwas Geeignetes gefunden, das er an die Rückseite des Schildes schrauben konnte. Es war ein kleines, ehemaliges Bauernhaus bei einem allseits beliebtem Spazier- und Radfahrweg.
So kam es, dass Herr Emm eine Bierausschank eröffnete.
Linz, im Oktober 2018 ©Martin Siegel 2018