Einmal, als die berühmte Rallye noch von Paris nach Dakar führte, nahm Fetzer teil, auf eigene Faust und Rechnung. Er hatte seinen kleinen gelben Peugeot privat aufgemotzt und jedes freie Fleckchen auf dem Lack mit Aufklebern der St. Größenwahner Brauerei versehen, in der Hoffnung auf ein wenig finanzielle Unterstützung. Fetzer wurde jedoch vom Eigentümer der Brauerei im Stich gelassen, aber es war ihm letztlich egal. Schon am Start fühlte er sich gut. Er verzichtete auf einen Beifahrer und auf Karten. Er wollte das Rennen intuitiv anlegen. Gegen Mittag bekam er die Freigabe und fuhr los. Er orientierte sich am Stand der Sonne und raste hinaus aus der Stadt, in Richtung Süden. Er kam gut voran, wunderte sich allerdings ein wenig über die vielen Rechtskurven. Von seinen Konkurrenten war keiner zu sehen. Die Gegend behielt ihren eintönigen Charakter, aber, sagte sich Fetzer, so sei es eben in Frankreich. Er fuhr stundenlang weiter, auch in dieser Zeit veränderte sich die Landschaft kaum. Irgendwann tankte Fetzer und setzte seine Fahrt dann fort. Nach vielen weiteren Kilometern sah er zu seiner Rechten endlich eine Hügelkette, die wohl ein Ausläufer der Pyrenäen sein musste. Fetzer fuhr daran vorbei, fuhr immer weiter, fuhr auch in der Nacht. Die Häufigkeit von Rechtskurven blieb und die spanische Landschaft glich der französischen in ihrer Eintönigkeit. Immerhin, dachte Fetzer, konnte er sich darauf verlassen, dass er noch in Europa war. Geraume Zeit später gelangte er nach einem weiteren Tankstopp im Nebel an einen Fährhafen. Das musste die Straße von Gibraltar sein. Fetzer schiffte sich frohgemut ein. Die Überfahrt ging erstaunlich rasch vonstatten. Die Landschaft in Marokko glich der in Spanien und der in Frankreich zunächst aufs Haar. Fetzer fuhr weiter und wunderte sich weiterhin über die vielen Rechtskurven, von denen er irgendwann eine unterschätzte. Er überschlug sich und blieb mit seinem gelben Peugeot im roten Sand liegen. Die Mittagssonne brannte gnadenlos herunter. Fetzer hatte nichts mehr zu trinken. Er befreite sich aus dem Wagen und begann im Sand vorwärts zu kriechen. An Sonnenschutz hatte er nicht gedacht. Er musste eine Oase finden. Die Zunge klebte ihm staubtrocken am Gaumen. Das Vorwärtskommen wurde zusehends mühsamer. Fetzer begann zu halluzinieren. Er hätte alles gegeben für ein kühles St. Größenwahner Helles. Da sah er vor sich auf einmal die Türme der Brauerei, sie war zum Greifen nah, er robbte mit letzter Kraft vorwärts, aber er schaffte es nicht. Fetzer dachte, er müsse nun verdursten in der marokkanischen Wüste. Dann verlor er das Bewusstsein. Einige Stunden danach wurde er völlig dehydriert im Sand am Stade Roland Garros im 16. Arrondissement von Paris von Sicherheitskräften gefunden, auf den Trainingsplätzen, nur wenige Meter entfernt von seinem auf dem Dach liegenden gelben Peugeot, der augenscheinlich ein Totalschaden war.
Michael, 17. November 2018