Seit Jahren war sie mit dieser Beziehung nicht mehr zufrieden. Ihr Ehemann hat sich von einem smarten, liebenswerten Menschen in ein aufbrausendes, unsympathisches und arrogantes Monster verwandelt, trotz ihrer tollen Kochkünste. Abende verbrachte er für gewöhnlich biertrinkend auf der Couch, bewaffnet mit mit Kartoffelchips, Fernseher auf voller Lautstärke. Was für ein trauriger Anblick! Sie versuchte in Gesprächen Besserung zu erreichen, in bester Manier mit Ich-Botschaften ohne Vorwürfe. Er hatte keine Zeit für kleine Arbeiten im Haus, aber wehe ein Freund rief an und wollte auf ein Bier gehen. Dann sprang er vom Sofa auf, wusch sich sogar am Wochenende und glaubte ernsthaft, dass er auswärts auch so etwas wie einen Hauch von Chance bei viel zu jungen Mädels hatte. Am nächsten Tag musste sie sich mit seinem Frust herumschlagen, da ihn der Boden der Realität wieder eingeholt hatte. Scheiden würde er sich nie lassen, für eine solche wie sie vielleicht noch Unterhalt zahlen, das könne sie vergessen bzw. wie er es ausdrückte, in die Haare schmieren. Herablassend, beleidigend, keine Wertschätzung, über Jahre, schwer zu ertragen.
Die gemeinsame Lebensversicherung zahlte nach sieben Monaten die volle Summe aus, sodass nach Abzahlung der Schulden noch ein schöner Betrag überblieb. Die Tochter schien den Vater bereits nach kurzer Zeit nicht mehr zu vermissen. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen sie nach einem halben Jahr bereits ein, Tatverdacht nicht erhärtet. Giftmord, vermutlich beim Fortgehen von jemandem ins Bier gemischt, Feinde waren genug vorhanden. Ein Jahr später war sie richtig froh, nie die Hoffnung auf eine neue Liebe gehabt, jetzt ist sie da, im Gegensatz zu ihm sehr wohl Chancen beim anderen Geschlecht, in diesem Fall sogar neun Jahre jünger. Alpträume zu keinem Zeitpunkt, auch kein schlechtes Gewissen. Heute Abend trinken sie gemeinsam ein Bier, essen Kartoffelchips und schauen in voller Lautstärke ein Konzert von Seiler und Speer. Trotzdem ist alles anders.
Harald, 15.Februar 2019