Es war Sonntag, und Holger, der von seiner langjährigen Freundin Babette verlassen worden war, hatte sich am Vorabend deswegen sinnlos betrunken und wachte jetzt auf, immerhin in seinem eigenen Bett, mit einem mordsmäßigen Kater, und das einzige, was da wirklich helfen konnte, fand Holger, war ein Reparaturseidel oder noch besser eine Reparaturhalbe, und Holger versuchte mit Schwung aus dem Bett zu hechten, um den Beschaffungsvorgang kurz zu halten, stieß dabei aber mit seinem Kopf gegen den metallenen Papierkorb, der neben dem Bett stand, was höllisch wehtat und ein hohles Geräusch verursachte, von dem man nicht wusste, ob es vom Papierkorb herrührte oder von Holgers lädiertem Kopf, aber irgendwie schaffte er es doch in die Küche, rutschte dort aber aus auf dem Futterschälchen, in dem Babette für das Katzenvieh noch feines Perlhuhn an Stachelbeerschaum hergerichtet hatte, und es setzte ihn aufs Steißbein und er schrie auf, weil es abartig schmerzte, und er zog sich am Griff an der Kühlschranktür wieder hoch und riss sie auf, als er oben war, und sah nach, ob nicht vielleicht doch noch ein Bier im Kühlschrank war, obwohl Holger sich sicher war, dass Babette alles mitgenommen oder in den Ausguss gekippt hatte, um ihn zu ärgern, und richtig, sie hatte nichts übersehen, und außer Babettes verdammtem Sauerkrautsaft und drei abgelaufenen Packungen Stutenmilch war nichts mehr zu trinken im Kühlschrank, und Holger taumelte zurück ins Schlafzimmer und zog sich die erstbesten Sachen an, die er fand, eine Trainingshose und ein geblümtes Hawaiihemd, und er steckte sich einen Zwanziger und den Autoschlüssel ein, und den Führerschein suchte er erst gar nicht, weil es ja nur ein paar Kilometer zur Tankstelle waren, wo Holger sich ein paar Dosen Bier kaufen wollte, und er fuhr los und legte den Weg in Schlangenlinien zurück und wäre um ein Haar mit einem Traktor kollidiert, den er noch überholen wollte, als er schon nach links abbog, und der wütende Bauer zeigte ihm den Vogel und Holger streckte ihm den Mittelfinger entgegen, aber irgendwie schaffte er es doch bis zur Tankstelle und er stakste mit unsicheren Schritten hinein in den Shop und nahm einen Sixpack Bier aus der Kühlvitrine und ließ ihn auf den Bezahltresen plumpsen und kramte seinen Schüssel und das Geld aus der Hosentasche, und hielt der Kassiererin den Zwanziger hin, den sie aber nicht annahm, und als Holger ihr ins Gesicht sah, traute er seinen Augen nicht, es war Babette, die ihn gestern erst verlassen hatte und heute schon in der Tankstelle arbeitete, und sie nahm ihm auch den Sixpack ab und sagte ihm, dass er von gestern noch genug getankt hätte, und er solle sofort wieder heimfahren und seinen Rausch aussschlafen, und Holger wurde ungehalten und schrie Babette an, dass das seine Tankstelle sei, wo er immer sein Bier kaufe, und sie solle jetzt augenblicklich seinen Sixpack herausrücken, sonst werde er sich beim Geschäftsführer beschweren, und Babette sagte, das könne er gern machen, und sie werde den Geschäftsführer sofort rufen, und das tat sie auch, und er ließ sich auch sofort sehen, und es war ein muskelbepackter Glatzkopf, und er pflanzte sich vor Holger auf und stellte sich ihm als Bronislaw vor und sagte ihm, dass er es gar nicht schätze, wenn man seine Mitarbeiterinnen anschrie, aber sie könnten es gern wie Männer draußen in der Waschanlage klären, da könne man auch das Rolltor herunterlassen, dann bekäme keiner was mit, wenn die Fäuste flögen und die Knochen knackten, doch Holger hielt es für klüger, auf dieses Angebot zu verzichten und trat den Rückzug an, übersah aber draußen zwischen den Zapfsäulen auf dem Weg zu seinem Wagen die Nonne, die auf einem alten Postmoped heranbrauste und ihn um ein Haar über den Haufen gefahren hätte, wenn sie nicht in letzter Sekunde den Lenker verrissen hätte, um ihm auszuweichen, und irgendwie ging alles gut, die Nonne schaffte es, einen Sturz zu vermeiden und kam wenige Meter hinter Holger zum Stehen und sie entschuldigte sich wortreich, es täte ihr so leid und sie fahre leider immer wieder zu schnell, weil sie das Mopedfahren so cool finde, und sie fragte Holger, ob mit ihm alles in Ordnung sei, und er wollte schon sagen, dass ihm nichts fehle, aber dann fiel ihm ein, dass er ja noch kein Bier hatte, und er gab der Nonne den Zwanziger und sagte zu ihr, dass er auf den Schrecken erst einmal etwas zu trinken brauchte, und sie möge doch so gut sein und ihm einen Sixpack Bier aus dem Tankstellenshop mitnehmen, und sie nickte und ging in den Shop, und Holger lehnte sich erst einmal an die Fahrertür seines Wagens und atmete tief durch, und die Nonne ließ sich nicht lange Zeit und kam zurück und übergab ihm den Sixpack, und Holger stellte ihn kurz auf dem Autodach ab und nahm das Wechselgeld entgegen, das die Nonne ihm hinhielt und schob es in die Tasche seiner Trainingshose und bedankte sich und murmelte einen Gruß, doch als er sein Auto öffnen wollte, fand er den Schlüssel nicht, und Holger erinnerte sich, dass er ihn vorhin drinnen im Shop am Tresen abgelegt hatte, und er schlich sich so unauffällig, wie es in seinem Zustand möglich war, noch einmal in den Shop, und grabschte am Tresen nach dem Schlüssel, der zum Glück noch da lag, aber Babette bemerkte ihn im letzten Augenblick doch, und fragte ihn, warum er immer noch da sei und riet ihm, dass er endlich verschwinden solle, sonst würde Bronislaw ihn zu Zweitaktgemisch zerquetschen, und Holger, der die Drohung durchaus ernst nahm, suchte so schnell es ging das Weite, stieg in seinen Wagen, wendete mit einem klatschenden Geräusch und fuhr davon, und nach etwa zwei Kilometern fiel ihm endlich der Sixpack ein, den er vorhin auf dem Dach seines Wagens abgestellt hatte, doch ehe er sich diesbezüglich weitere Gedanken machen konnte, bemerkte er die rote Kelle, die ihm ein Uniformierter am Straßenrand hinhielt und er trat abrupt auf die Bremse und kam mit einem Hüpfer zum Stillstand, und die freundlichen Beamten ließen ihn aussteigen und Holger gestand ihnen gleich, dass er seine Papiere leider zu Hause vergessen hätte, und der eine Beamte sagte, das spiele jetzt auch keine Rolle mehr, und präsentierte ihm ein Gerät, das sich als ein Alkomat entpuppte, in den Holger hineinblasen sollte, und als der Uniformierte den Wert ablas, pfiff er anerkennend durch die Zähne und sagte zu Holger, dass sie so aussagekräftige Ergebnisse selten hätten, und Holger entgegnete, dass er sie zur Feier des Ereignisses gern auf ein Dosenbier eingeladen hätte, dass ihm sein Sixpack aber an der Tankstelle leider gerade vom Autodach geflogen sei, und die Beamten nahmen ihm den Schlüssel ab und sagten ihm, dass sie ihn nun gern nach Hause begleiten würden, um dort gleich den Führerschein mitzunehmen, den er in der nächsten Zeit ohnehin nicht brauchen würde, und sie verfrachteten Holger auf die Rückbank ihres Dienstfahrzeugs und chauffierten ihn nach Hause, und nachdem sie seinen Führerschein und seine Fahrzeugpapiere einkassiert hatten, ließen sie ihn allein, und Holger hatte immer noch entsetzliche Kopfschmerzen und riesigen Durst, und er dachte an Babette, und schließlich trank er ihren Sauerkrautsaft aus dem Kühlschrank und danach noch eine Packung Stutenmilch, und keine drei Minuten später schaffte er es gerade noch aufs Klo.
Michael, 8. Juni 2019