Obwohl eine Wetterwarnung im Bienenstock ausgegeben wurde, startete im April eine junge Biene ihren Ausflug. Sie genoss mit der Geburt beginnend eine intensive Schulung im Bienenstock, hielt aber von den ewigen Belehrungen über Fleiß und soziales Verhalten eher wenig, nein sie genoß das Alleinsein sehr. Kein dämliches Summen weit und breit, keine Vorschriften, keine Rücksicht, stattdessen pures Abenteuer. Übermütig flog sie über Wälder, Wiesen und Gärten. Sie war schon einige Zeit unterwegs und entdeckte unentwegt neue Dinge. Bunte Blechhaufen, die nicht fliegen konnten, Kinder, die mit Interesse auf sie zeigten und einen dämlichen Vogel namens Bienenfresser, der immer noch nicht ausgestorben zu sein schien und vergebens nach ihr schnappte. „Junge Bienen sind einfach zu schnell“, dachte sie sich und spürte, wie ihr Selbstvertrauen weiter stieg. Sie flog noch ein gutes Stück weiter, als sie in einem kleinen Garten einen wunderbaren, blühenden Palmkätzchenstrauch entdeckte. Sie genoss die Nahrung, die um Bienenstöcke besser schmeckte, als das ihnen der in die Jahre gekommene Imker immer vorsetzte. „Diese Angstbienen und ihre Wettervorhersagen sind auch für die Wespe“, summte sie vor sich hin, als das erste weiße Gebilde vom Himmel kam. Sie jagte voller Freude dem tanzenden Etwas hinterher, auch die nächsten Flocken verfolgte sie mit großer Lust. Als es immer mehr wurden, wollte sie nun doch umkehren und sich auf den Weg nach Hause machen. im dichten Schneefall schaute die Landschaft aber völlig anders aus und sie verflog sich mehrmals und musste sich gestehen, dass sie ausgerechnet mitten auf einer großen Wiese keine Kraft mehr hatte. Erschöpft blieb sie am Boden liegen und wusste instinktiv, dass sie das wohl nicht überleben würde. Der Körper war schon von Schnee bedeckt und sie schlief ein. Als sie wieder aufwachte, war sie im Bienenhimmel angekommen, überall Surren und Geschäftigkeit. Nach wenigen Minuten war ihr klar, dass sie nicht im Himmel, sondern im eigenen Bienenstock munter geworden war. Als sie auf zwei ihrer Lehrerinnen gestoßen war, rechnete sie mit einer Bienen-Standpauke. Die Lehrinnen erklärten ihr, dass es sich bei ihr um eine Entdeckerbiene handeln würde. Das war seit ihrer Geburt klar und hing mit dem Botenstoff Glutamat zusammen, von dem sie viel besitzen würde. Da in den vergangen Jahren sehr viele junge Bienen dieser Art von ihren ersten Ausflügen nicht zurückkehrten, setzten sie seit dem heurigen Jahr auf unauffälligen Personenschutz. Dieser hatte sie aufgelesen und zurückgebracht. „Ich bin dann wohl allen eine Last“, meinte die Biene zerknirscht. „Nein, im Gegenteil. Die Entdeckerbienen sind für unser Überleben ganz wichtig, weil sie immer wieder neue Nahrungsquellen für den Bienenstock finden. Du hast beispielsweise die Palmkätzchen aufgestöbert, die wir in Kürze alle anfliegen können“, antworteten die Lehrerinnen. Die Biene dachte länger darüber nach und war stolz, dass sie trotz fehlenden Sozialverhalten ihre Aufgabe gefunden hatte. „To bee“, kam sie zum Schluss, „geht eben doch nur gemeinsam, auch wenn das manchmal heißt, dass ich alleine mich auf den Weg mache“.
Harald, 08. April 2022
Wie schön, dass die Bienen wieder brummen auf eurem Blog!
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