Bienen essen

Es gab einmal eine Zeit, in der ich mich ausschließlich von Reiswaffeln ernährte, was mir überhaupt nicht guttat. Die Farbe meines Gesichts glich der von Ziegenkäse und mein Stuhl war jedesmal hart wie ein Stahlkabel und ließ sich nur mit Mühe wegspülen. Ich fragte meinen Hausarzt Dr. Sulzhorn um Rat.

„Bienen sind der letzte Schrei“, erklärte der Doktor, nachdem er mich angehört hatte. „Steigen Sie um auf Bienen. Sie schmecken angeblich vorzüglich und sind sehr bekömmlich.“

„Hm, Bienen also“, wiederholte ich ein wenig skeptisch. „Wo krieg ich die?“ 

„Beim Bienenmetzger natürlich“, sagte Dr. Sulzhorn. „An der Hauptstraße gibt es es einen neuen Laden, der einem gewissen Stachelbrummer gehört. Die haben alles, was das Bienenesserherz begehrt.“

Ich machte mich von der Ordination aus gleich auf den Weg zu Stachelbrummer. Eine Verkäuferin in schwarzgelber Arbeitskleidung fragte mich nach meinen Wünschen. 

„Ein paar Bienen hätte ich halt gern“, sagte ich. „Ich kenne mich noch nicht aus. Es ist mein erstes Mal. Ich lasse mich gern beraten.“ 

„Ganz frische Rindsbienen hätten wir da“, sagte die Verkäuferin. „Haben wir heute erst hereinbekommen. Gern genommen werden auch die Kalbsbienen, die weniger bissfest sind und unglaublich zart. Sie sind allerdings ein wenig höherpreisig.“ 

„Ich weiß nicht so recht“, stammelte ich, und dann fiel mir plötzlich etwas Wichtiges ein: „Ich esse eigentlich seit Jahren schon kein Fleisch mehr.“ 

„Unsere Rinds- und Kalbsbienen gibt es selbstverständlich auch vegetarisch“, erklärte die Verkäuferin. „In allerbester Bioqualität.“

„Und vegan?“, hakte ich nach. 

„Vegan nur die Kalbsbienen.“ 

„Dann nehme ich ein paar vegane Kalbsbienen. Was passt denn als Beilage dazu?“ 

„Eine heikle Frage“, räumte die Verkäuferin ein. „Der markante Eigengeschmack verträgt fast nichts neben sich.“ 

„Und was machen wir jetzt?“, fragte ich ein wenig aufgebracht. 

„Ich habe eine Idee“, erwiderte die Verkäuferin. „Probieren Sie doch gleich die Spezialität unseres Hauses. Vegane Kalbsbienenpressknödel. Da ist wirklich alles drinnen.“

„Einverstanden“, rief ich. „Dann packen Sie mir bitte ein halbes Dutzend vegane Kalbsbienenpressknödel ein.“ 

„Sehr wohl.“ 

Ich nahm meine Ware entgegen, bezahlte und fuhr nach Hause, wo ich meine Knödel in einem Drohnensud kochte. 

Was soll ich sagen? Ich habe noch nie zuvor etwas auch nur annähernd so Ekelhaftes verzehrt wie jene veganen Kalbsbienenpressknödel. Ich bin überzeugt davon, dass der Teufel in der Hölle seine Opfer damit füttert. Ich lief zum Abort und wurde dort meinen kompletten Mageninhalt binnen weniger Augenblicke los. 

Als ich wieder halbwegs zurecht kam, holte ich mir aus dem Küchenschrank eine Familienpackung Reiswaffeln, die ich in Minutenschnelle verschlang. 

Mein Stuhl war später hart wie Diamant und klirrte beim Auftreffen auf die Muschel. Mein Gesicht war weiß wie das eines Schneemanns. Es machte mir aber nichts aus, weil es das geringere Übel war.

Michael, 8. April 2022

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