Freundschaft Plus

Als philosophierender Imker war es für Andreas eine gute Nachricht, als er hörte, dass eine rein platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau doch möglich wäre. Laut Studie sollte die Frau übrigens, mit der die Freundschaft besteht, nicht zu attraktiv sein, was vielleicht in der Vergangenheit das Problem war.

Gerade im Advent war er früher viel unterwegs und lieferte seinem Honig persönlich aus. Bei manchen verweilte er etwas länger, fast ausschließlich Kundinnen, die ihn gerade zu dieser Zeit zu einem Kaffee samt Keksen einluden. Er genoss anfangs die Gesellschaft und die offenen Gespräch, bis spätestens beim dritten Mal er nicht widerstehen konnte und nicht wenig oft im Bett der Kundin landete. Um das zu vermeiden, wich er nun diesen Advent auf Weihnachtsmärkte aus und verkaufte seinen Honig dort. Der letzte Einsatz führte ihn gar nach Budapest.

Als er Monika in Budapest kennenlernte, war ihm klar, das ist echte Freundschaft. Sie war die letzte Kundin vor dem Schließen des Marktes an diesem Abend und sie verstanden sich auf Anhieb. Monika hatte die spontane Idee einen Glühwein vor einem nahe gelegenen Lokal zu konsumieren. Etwas hungrig gingen sie danach Essen. Monika war herzlich, lachte, redete über ihr Leben, es war als kannten sie sich schon ewig. Nach dem Essen machten sie sich auf den Weg Richtung Hotel und schlenderten an ein paar Lokalen vorbei. Diesmal, so wog sich Andreas in Sicherheit, war es anders, das war platonische Freundschaft. Um 21.30 betraten sie ein Weinlokal. Sie wollte Weißwein, er Rotwein, so bestellten sie zwei Gläser Rosé. Um 22.45 saßen sie in Lokal Nummer 2, kurz nach Mitternacht in einer herrlich schummrigen Bar. Sie war so froh Andreas kennengelernt zu haben, da sie mit ihm über alles, auch über Sex sprechen konnte, was sie nicht einmal mit ihren Freundinnen tun konnte. „Frauen“, so meinte sie, „werden bei diesem Thema völlig überschätzt.“ Andreas war jetzt richtig stolz, er genoß diese Freundschaft immer mehr. Er konnte nun empirisch beweisen, dass die Studie völlig richtig lag, selbst wenn die Frau augenscheinlich attraktiv war. Monika reiste nur zufällig nach Budapest und wohnte keine 30 Kilometer entfernt von ihm, die platonische Freundschaft hatte also auch noch Zukunft. Es war kurz vor zwei Uhr als die beiden sein Hotel erreichten und es für eine gute Idee hielten, noch einen kleinen Schluck von der Minibar zu nehmen. Auch das Alleinsein mit einer Frau auf seinem Hotelzimmer war kein Problem für eine platonische Beziehung. Monika wollte um 2.30 Uhr schwimmen gehen und um diese Zeit würde dafür auch die Unterwäsche reichen. Sie zog sich im Bad aus und Griff zum Telefonhörer, um zu erfahren, auf welcher Ebene sich das Schwimmbad befinden würde. Es hob bei der Rezeption keiner mehr ab und sie ließ sich enttäuscht auf das Bett fallen. Andreas setzte sich neben ihr und begann zu reden, über Humor, Vertrauen und platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau. Es fiel ihm zuerst nicht auf, dass er seine Hand bereits in ihrem Höschen hatte und sie seinen Ausführungen nur mehr bedingt folgte. 

Am nächsten Morgen setzte er sich sofort zu seinem Laptop. Platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau, so schrieb er, wäre möglich, für Stunden, für Wochen, für Monate, ja, für Jahre. Die kurzen Unterbrechungen dieser platonischen Freundschaft im Ausland – die letzte Reise führte die Beiden in die Karibik und ihn zur Scheidung – sind trotzdem zu akzeptieren und er prägte den Begriff der platonischen Freundschaft Plus, und der sich nun immer mehr durchzusetzen scheint.

Harald, 2. Dezember 2022.

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