Hoch über Salzburg

Gestartet. Einkaufszentrum. Laufen. Online. Ein steiler Treppenweg führt sie auf den Kapuzinerberg, einer der beliebten Salzburger Naherholungsgebiete. Die ersten Blätter bekamen bereits eine sonnengelbe Farbe und der Reif war in den Wiesen am Morgen deutlich zu erkennen. Sie war oft auf dem Kapuzinerberg, sie rannte die Strecke bergauf, ausgehend von einem größeren Einkaufszentrum, um sich dann kurz – genau 120 Sekunden – beim Franziskischlössl zu erholen und anschließend den Weg zur Linzergasse wieder bergab zu laufen. Sie geht nun bedächtig die dort oft vorhanden Treppen hinauf, sieht sich die Landschaft an, genießt die Sonnenstrahlen. Von einem Einkaufszentrum war sie weggegangen, drängende Menschen, kahl, kühl, steril. Sie ist jetzt erst wenige Höhenmeter von diesem Zentrum entfernt. In sich ruhende Natur, die kein Sonderangebot, keine Aktion – „Zahl 2 und nimm 3“, „Nur heute 25 %“ – vorweist. Als sie kurz verweilt, bemerkt sie eine Heuschrecke, die sich mit ihren kräftigen Hinterbeinen im spärlich vorhandenen Gras fortbewegt. Die Sprünge gehen bergauf und das mit einer unfassbaren Leichtigkeit, in ihrem Tempo, wie von selbst. Sie befindet, dass diese glücklich aussieht. Vorsichtig macht sie einen Schritt zur Seite, um ihr den Weg nicht zu versperren oder noch schlimmer sie zu zertreten. Beim Laufen hat sie noch nie ein Tier bemerkt, ihr war nicht einmal bewusst, wo sie genau hinstieg, schließlich musste sie ihre Smartwatch betrachten – neue Bestzeit. Die Motoren der Autos hört sie nur mehr aus der Ferne, nur manchmal unterbrochen durch ein Hupen. Von hier oben schaute der Autoverkehr harmlos aus, nein, doch seltsam. Kleine meist dunkle, graue Blechkästen, immer der Versuch, dass ein Blechkasten den anderen überholt oder auf andere Weise sich einen Vorteil verschafft, was manchmal auch gelingt. Jetzt am Boden Ameisen, die sich ihren Weg bahnen, schnell, überholend, geordnet und doch wegändernd. Sie geht den Weg weiter hoch. Knistern in den am Boden liegenden welken Blättern, eine graue Maus, flink, suchend. Ein Duft eines einzelnen Blattes, der alles erzählt, vom Leben und Sterben. Sie ist fast oben angekommen, ein heiterer Blick auf Salzburg, sie sieht einen Shop einer Pafumeriekette, frisch, nach Vanille duftend, ein idealer Winterbegleiter, inspirierend, bringt sie zur Geltung, hinein ins Leben! Sie hat das Franziskischlössl nun erreicht, diesmal ein längerer Halt. Auf der Bank sitzend beobachtet sie eine Läuferin, die kurz den Kopf in ihre Richtung dreht, heute beiderseitiges Unverständnis, andere Rollen, wo sonst anerkennendes Zunicken war. Gemächlich macht sie sich auf den Weg Richtung Gaststube, bestellt zum Essen ein Bier. Der erste Schluck schmeckt und als sie den ersten Bissen ihres Wildgerichts am Gaumen spürt, ist ihr plötzlich klar. Berg. Gehen. Ankommen. Verbunden.

Harald, 27. September 2019

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