Auf der Arbeitgeber-Seite verhandelte Herr DDr. Bonzer während die Arbeitnehmerseite durch Mag. Knechtinger vertreten war. Letztes Jahr dauerten die Verhandlungen für den neuen Kollektivvertrag sieben Runden. Begonnen wurde wie immer um 15.30, Ende immer nach Mitternacht, manchmal gar erst um 04.00 Uhr morgens. Dieses Jahr waren die Erwartungen keine anderen. Mag. Knechtinger nahm auf einem roten Sessel Platz, während DDr. Bonzer den Blauen bevorzugte. Mit grimmigen Mienen saßen sie sich gegenüber, bereit bis zum letzten zu gehen. 15.30 Uhr, aber high noon. Beide präsentierten ihre Forderungen, die Diskussion war eröffnet. Unrealistisch, falsche Einschätzungen, abkühlende Konjunktur. Es flogen die Argumente hin und her. Um 21.45 Uhr, es war schon länger dunkel, schlug Mag. Knechtinger vor, ganz objektiv auf die Sache zu sehen. DDr. Bonzer war verblüfft, hatte aber nichts dagegen einzuwenden. Um 22.20 waren sie sich einig und saßen einander wohlwollend gegenüber. So etwas könnte nie und nimmer der Presse sofort berichtet werden. Sie beschlossen, den Rotwein der am Nebentisch sich befand, zu öffnen. Schließlich gäbe es was zu feiern. Die Flasche war schnell leer und sie beschlossen, die Presse in der Art zu informieren, dass die Forderungen noch weit voneinander entfernt wären. Die nächsten Verhandlungsrunden würden jeweils am Donnerstag um 20.00 Uhr nach Einbruch der Dunkelheit angesetzt. Als erster war DDr. Bonzer dran, ein gutes Tröpfchen mitzunehmen. Ein Chardonnay, der seinesgleichen sucht, war die richtige Wahl. Die vier Flaschen waren gegen 23.00 Uhr geleert und für die nächste Verhandlungsrunde war Mag. Knechtinger an der Reihe. Eine Rotwein-Cuvée, die auch in Gewerkschaftskreisen für Furore gesorgt hatte, erfreute beide. Wiederum wurde die Presse über die zähen Verhandlungen und das noch fehlende Ergebnis informiert. Die dritte und vierte Runde verlief jeweils ähnlich, wobei das Ende diesmal schon gegen 02.00 Uhr morgens gelegen war. Mittlerweile – so wurde der Presse mitgeteilt – werden auch Streiks nicht mehr ausgeschlossen. Nach der vierten Runde beschlossen sie weiters, Damengesellschaft dazuzunehmen, um für mehr Abwechslung zu sorgen. Die fünfte und sechste Runde war zwischen Gelage und Orgie angesiedelt, die Laune noch ungetrübt. Leider waren Mag. Knechtinger und DDr. Bonzer bereits etwas in die Jahre bekommen und sie beschlossen, die Presse nach der siebten Runde über den erfolgreichen Abschluss zu informieren. Sie kramten ihre Papiere aus dem ersten Treffen hervor und berichteten um 02.45 morgens, dass es nach zähen Verhandlungen zu einem für beide Seiten guten Kompromiss gekommen wäre. Diese bürgerliche Auszeit von sieben Abenden war für Beide eine große und erfreuliche Bereicherung und so beschlossen sie, dieses Prozedere in Zukunft fortzuführen. Das ganze fand das erste Mal vor 12 Jahren statt und so dauern in dieser Branche die KV-Verhandlungen je nach Kondition der Beiden zwischen fünf und acht Verhandlungsrunden. Deren Nachfolger wurden bereits entsprechend eingeschult und haben auch nicht vor, daran etwas zu verändern. Ihre Aussage „never change a running system“ sorgt auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite für große Zustimmung. Die Alt-Verhandler nehmen im Übrigen weiter beratend an den KV-Verhandlungen teil. Dieses Jahr rechnet die Presse mit einem Abschluss im Dezember…
Harald, 15. November 2019