Bei der abendlichen Inventur im Depot stellte der Friedhofsverwalter Knauser fest, dass mehrere Stangen Mentholzigaretten fehlten. Nicht lang nach dem Beginn der Geisterstunde ging er hinaus zu den offenen Gräbern. Er kam rechtzeitig zur ersten Spukpause. Missmutig stellte er die Verstorbenen zur Rede, die mit überkreuzten Gebeinen auf den Grabsteinen saßen und ungeniert qualmten. Sie machten sich nicht die Mühe, es vor ihm zu verbergen. Gerade in Zeiten der allgemeinen Ächtung des Nikotinkonsums, rief Knauser, sei es wichtig, dass sie, als diejenigen, die das Leben schon hinter sich hatten, mit gutem Beispiel vorangingen. Er bekundete seine Enttäuschung darüber, dass die Toten den mit ihm geschlossenen Deal nicht eingehalten hätten. Das beruhe auf Gegenseitigkeit, entgegnete ein gewisser Helmut, der Sprecher der Toten, auch er, Knauser, hätte seinen Teil der Abmachung verletzt, er hätte ihnen das lang versprochene Mundwasser immer noch nicht besorgt. Sie stänken so dermaßen aus ihren Mündern, dass ihnen in der einen Stunde, die sie pro Nacht zur Verfügung hätten, jeglicher Sozialkontakt untereinander verleidet wäre. Zur Linderung des Problems rauchten sie nun eben Mentholzigaretten. Knauser, der ein gerechter Mann war, gestand seinen Fehler ein und versprach für die kommenden Nächte eine ganze Palette Mundwasser, als Zeichen seiner ehrlichen Reue. Die Verstorbenen klapperten zustimmend. Sie würden ihn an seinen Taten messen, erwiderte Helmut und klatschte zum Zeichen seines Einverständnisses mit seiner Knochenhand die ihm dargebotene Rechte Knausers ab. Mit einem Schlag läutete in diesem Moment das Friedhofsglöckchen das Ende der Pause ein. Alles war wieder gut. Die Toten dämpften ihre Kippen aus und spukten weiter.
Michael, 23. November 2019.