Maibach

Mitten in der Nacht ging er wie jeden Freitag in seine 500 m2 große Garage und startete ein Fahrzeug. Diesmal sollte es das Maibach-Cabrio S-650 sein. Die weißen Ledersitze im Budapester Stil gaben ihm sofort ein gutes Gefühl und das Geräusch des Biturbo-V12 ließen seine durch den Airscarf erwärmten Nackenhaare aufstehen. Die Garage öffnete sich und er beschleunige die Allee hinunter. Die Villa wurde im Hintergrund schnell kleiner. Er liebte die wärmer werdenden Nächte. Ein Gefühl der Unvernunft überkam ihn schnell, die Nacht und die Geschwindigkeit reichten. Einige Passanten schauten ihm nach, erkannten ihn, so viele Milliardäre gab es nun auch wieder nicht. Vor einem angesagten Club namens „Kater Lila“ parkte er. Der Club war ganz nach seinem Geschmack: Kein Mann unter 40, keine Frau über 30. Er unterhielt sich kurz mit dem Barkeeper, der ihm einen kurzen Überblick über das heutige Publikum verschaffte. Der erste lila Schein wechselte seinen Besitzer und der Barkeeper wusste, dass er dafür sogar mehr als 600 Euro auf einer Internet-Plattform erhalten würde. Angebot und Nachfrage regelten schon immer den Preis. Eine Neue im Club hatte sofort seine Aufmerksamkeit. Mit einer Flasche Dom Perignon Vintage machte er sich auf den Weg zu ihr. Er lächelte und sie kamen ins Gespräch. Sie studierte klassische Philologie, mochte Champagner und hatte somit die besten Voraussetzungen, um seine neue Lebenspartnerin zu werden. Wie auch beruflich konnte er sehr schnell erkennen, ob etwas passte. Er hatte immer den richtigen Riecher, ein feines Näschen, Parfums, die machten ihn reich. Nicht einmal seine ausgeprägte Rechen- und Rechtschreibschwäche konnten den Erfolg verhindern, ein Imperium mit mehr als 1.300 Luxusläden weltweit. Sie tanzten zu Loredanas „Mit Dir“ und machten sich um kurz vor drei Uhr auf den Heimweg. Der Airscarf leistete gute Arbeit, sodass sie offen fahren konnten. Sarah genoss den angenehmen, warmen Wind im Nacken und die Geschwindigkeit. Er hatte siegessicher seine Hand auf ihrem zarten Oberschenkel und versuchte sich als charmanter Jüngling. Als er „“Omnia vincit amor, et nos cedamus amori“ zum Besten geben wollte, verlor er in einer starken Rechtskurve bei Oelde champagnerbedingt die Herrschaft über das Fahrzeug und sie durchbrachen die Leitplanke und landeten sich einmal um die Achse drehend mit allen vier Rädern im Maybach, einem Nebenfluss des Axtbachs. Schnell konnten sich beide ans Ufer retten. Sarah hatte keine Lust, mit ihm auf die Polizei oder sonst wen zu warten und ergriff schnell die Mitfahrgelegenheit eines jungen Mannes in einem Porsche. Als er völlig durchnässt seiner Frau schrieb, dass er mit dem „Maibach im Maybach“ gelandet wäre, war ihr sofort klar, dass sie sich in nächster Zeit wieder mehr um ihn kümmern müsste.

Harald, 1. Mai 2020

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