Weil ich mitten in der Nacht quälenden Hunger verspürte und mir die Vorräte ausgegangen waren, musste ich notgedrungen improvisieren, wenn ich meinen laut knurrenden Magen zum Verstummen bringen wollte. Alles, was ich an Essbarem fand, waren eine Packung Suppenwürfel, verschiedene Kopfschmerztabletten und ein Sträußchen Petersilie. Ich stellte einen Topf mit Wasser auf, schaltete die Herdplatte ein, zerrieb einen der Suppenwürfel über dem Topf und rührte meine Brühe sorgfältig um, bis der Würfel sich vollständig aufgelöst hatte. Ich wollte aus meiner Not eine Tugend machen, die Gelegenheit beim Schopf packen und etwas Neues probieren, indem ich mir eine Tablettensuppe zubereitete. Weil ich aber gern beim Löffeln etwas zwischen den Zähnen spüren wollte, erschien es mir klüger, die Kopfschmerztabletten nicht mitzukochen und ihre Auflösung zu riskieren, sondern sie erst kurz vor dem Verzehr als Einlage meiner Brühe hinzuzufügen. Der nächtlichen Stunde geschuldet deckte ich den Tisch so spartanisch wie möglich. Suppenteller, Löffel und Untersetzer mussten reichen. Ich stellte den Topf mit der dampfenden Brühe auf den Tisch und tat mir mit einer Kelle sogleich reichlich Suppe auf. Die bunten Tabletten, die ich der Flüssigkeit beimengte, waren zwar optisch ein Gewinn, entpuppten sich aber beim unmittelbar darauf folgenden Verzehr als ungenießbare Kost. Nicht einmal der nagende Hunger wollte sie mir in den Schlund treiben. Erst als ich mir auf einem Schneidbrett das ganze Sträußchen Petersilie fein hackte und anschließend in meine Brühe einstreute, schaffte ich es, die Suppe auszulöffeln. Mit vollem Bauch legte ich mich danach ins Bett und schlief zum Glück sofort ein. Eine ganze Woche lang verspürte ich dann keine Kopfschmerzen. Gute Bekannte, denen ich meine neue Suppenkreation bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit im Rahmen einer Einladung zum Abendessen kredenzte, lehnten gleich beim ersten Mal den ihnen von mir angebotenen Nachschlag ab und besuchten mich danach nie wieder.
Michael, 17. Juli 2020
😂😂😂 Kreativität in der Küche hat halt auch seine Grenzen…
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