Speibi und Vomira bildeten ein Kunstkotzer-Ehepaar, das im Gefolge von Zirkussen und Varietes die Provinzen bereiste und sich vor Publikum gegen Geld erbrach. Sie spien alles wieder aus, was sich in Schlund und Magen hinunterschlucken und wegtrinken ließ, und beherrschten ihre erbrechliche Kunst in allen möglichen phantastischen Farben, Formen, Lautstärken, Gerüchen, Intensitäten und Auskotzwinkeln.
Wenn dann am Morgen nach ihren Auftritten bei Gesprächen in den Dörfern gefragt wurde: „Na, wie fandest du gestern die Vorstellung von Speibi und Vomira?“, und wenn Antworten kamen wie: „Sie waren wieder einmal zum Kotzen!“ oder „Ich fand sie wirklich übel!“, musste man es sich erst vergegenwärtigen, dass diese Urteile höchstes Lob bedeuteten.
Speibi und Vomira, die dennoch wussten, das sie ihr Publikum nicht überfordern durften, legten ihre Tourneen so an, dass sie sich in jedem Dorf, das sie besuchten, höchstens einmal im Jahr öffentlich übergaben. Insgesamt rührten sie die Werbetrommel so geschickt, dass ihre Kunst sie ausreichend nährte. Dazu gehörten auch griffige Titel für ihre Darbietungen wie „Speibi und Vomira – Jemand anderes kotzt gar nicht in die Tüte“ oder „Übel ohne Kübel“ oder auch – dem Zeitgeist geschuldet englisch – „Kotz around the Clock“. Im Anschluss an ihre Auftritte boten sie auch Ton- und Bildträger zum Verkauf an, die sie bei der Arbeit zeigten und die mit den musikalischen Darbietungen eines gewissen W. Sobotka stimmungsvoll unterlegt waren, dessen Tantimenforderungen allerdings doch ein wenig happig waren.
Auch privat kotzten Speibi und Vomira gern, übertrieben es aber nicht, um ihre Mägen, Speisenröhren, Kehlköpfe und Rachen für ihre Auftritte zu schonen.
Einmal allerdings stand ihre Ehe auf dem Prüfstein, als Speibi an einem Vormittag in einer Tourneepause unangekündigt in den Fahrradkeller hinunterstieg und dort seine Gattin in flagranti mit einem fremden Mann über einen Eimer gebeugt ertappte, in den die beiden sich einträchtig erbrachen.
„Vomira!“, rief Speibi verzweifelt. „Wie kannst du mir das antun?“
Die Angesprochene sah mitleidig von ihrem Eimer auf.
„Ich glaube, ich liebe dich nicht mehr, Speibi.“
„Aber warum, Vomira, warum?“
„Ich habe keine Seele mehr.“
„Wo ist ist deine Seele, Vomira?“
„Ich habe mir die Seele ausgekotzt.“
Es entstand ein unangenehmes Schweigen, das erst endete, als Vomiras neuer Kotzpartner sich ein Herz fasste und das Wort ergriff.
„Ich heiße Gallus“, sagte er zu Speibi. „Ich bin ein echter Kotzbrocken und ich habe einen Vorschlag zu machen.“
„Ich höre“, erwiderte Speibi. „Ich höre.“
„Vomira und ich sind seelenverwandt. Wenn ich ein Stück von meiner Seele zu ihr wandern lasse, kann sie auch dich wieder lieben.“
„Einverstanden“, brummte Speibi. „Versuchen wir’s.“
Auch Vomira nickte.
Alles wurde wieder gut. Gallus überließ Vomira ein Stück seiner Seele, das groß genug war, dass die Empfängerin in frischer Liebe entflammte, und zwar zu beiden Männern. Sie waren in ihrer Ehe nun zu dritt, was für mehr Abwechslung und gute Stimmung sorgte, und was lag da näher, als Gallus auch künstlerisch mit einzubinden und ihn mit auf Tournee zu nehmen. Sie nannten sich von da an nicht mehr „Speibi und Vomira“ sondern „Speier Dreier“. Die Entscheidung erwies sich als Glücksgriff. Gallus reiherte wie kein Zweiter und bereicherte das gemeinsame Programm so nachhaltig, dass alsbald auch die Erlöse erfreulich anstiegen.
Weil Gallus auch noch über ausgeprägte kompositorische Talente verfügte, nahmen sie zu dritt auch neue Ton- und Bildträger auf, die Gallus selbst musikalisch untermalte, so dass sie nicht mehr auf die Dienste W. Sobotkas angewiesen waren, dessen Honorare ihnen nicht länger sauer aufstießen.
Michael, 02. Juli 2021.
Herrlich, ich muss gleich kotzen!
😂😂😂
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Den Text muss ich mir auch gleich „nochmal durch den Kopf gehen lassen“. 😹
VVN
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