Gastbeitrag: Der Prinz

(eine Parabel oder auch nicht)

Ich bin privilegiert aufgewachsen, mit dem goldenen Löffel im Mund, sozusagen. Umsorgt von Dienerinnen, die mir jeden Wunsch von den Augen ablasen. Wünsche gab es nicht viele, eigentliche nur einen – gut essen und das nicht zu knapp.

Intellektuell war ich nicht so begabt und das Erlernen dieser weibischen Tänze interessierte mich schon gar nicht. So schafften meine Ammen und Dienerinnen die feinsten Leckereien herbei, um mich glücklich zu sehen. Ich schwelgte im Nektar und wuchs zu einem stattlichen Prinzen heran, kräftig und wohlgestalt. Ich hörte oft die Dienerinnen hinter meinem Rücken tuscheln und ich war mir sicher, sie unterhielten sich über meinen Körperbau und die eine oder andere erhoffte vielleicht ein kleines Abenteuer mit ihrem Prinzen.

Mir war aber schon immer bewusst, dass für mich nur eine jungfräuliche Prinzessin aus einem anderen Reich in Frage kommt. So hob ich mich für sie auf und machte meinen Körper zum Tempel.

Dann war es an der Zeit sich auf den Weg zu machen und ich strebte, einer inneren Macht folgend, in eine nur mir bekannte Richtung um meine Bestimmung zu erfüllen. Ich blickte noch einmal zurück auf die Heimat, die ich nun verließ, und war mir sicher, über dies alles würde einmal mein Sohn herrschen. Dieser Gedanke gab mir die Kraft, mein behütetes Leben hinter mir zu lassen und mein Wohl und das des Volkes in der Fremde zu suchen.

Bald kam ich an einen Ort, von dem ich mir sicher war, dass ich dort über kurz oder lang eine Prinzessin treffen würde, aber kurze Zeit nach mir trafen noch andere Prinzen ein, wahrscheinlich waren mir die Dummköpfe einfach gefolgt, wie hätten sie sonst hierher gefunden? Und so warteten wir, Penelopes Freiern gleich, auf eine Prinzessin, die den Fortbestand der Dynastie sichern sollte und viele starke Söhne gebären würde.

Plötzlich näherte sich eine von solcher Schönheit, dass wir Prinzen zuerst wie betäubt waren und nur mit den Augen ihren tänzelnden Bewegungen folgen konnten. Aber schon bald fielen einige der anderen Prinzen in Ihren Rhythmus ein und bald darauf der erste wie ein Tier über sie her. Kaum hatte er sein Erbgut weitergegeben, sank er ermattet zu Boden, was auch nur natürlich war, aber mich erschreckte mehr, dass er offensichtlich zu vehement zur Sache gegangen war und seine Männlichkeit eingebüßt hatte und nun unter Qualen sein Leben aushauchte, aber mit einem Ausdruck größter Freude auf dem Antlitz.

Mittlerweile hatten es ihm andere Prinzen nachgemacht und die Prinzessin hatte sie auch gewähren lassen und alle sanken hernach zu Boden und gingen von uns mit einem Ausdruck größten Schmerzes oder unendlicher Beglückung. Da machte ich mir erstmals Gedanken, ob sie die richtige für mich wäre. Ich würde notfalls auch die Söhne der anderen großziehen lassen, Dienerinnen gab es ja genug und so stellte ich der Prinzessin weiter nach. Diese hatte aber offensichtlich genug von der ganzen Angelegenheit und produzierte von weiß-der-Teufel-wo einen vergifteten Dolch, dem sie dem Ersten, der sich noch zu nähern wagte, in den Leib rammte, worauf dieser jämmerlich und unter großen Schmerzen sein Leben gab. Für die Liebe gestorben.

Na gut, es werden noch andere Prinzessinnen des Weges kommen, dachte ich und kehrte an meinen Rastplatz zurück. Aber ich wurde enttäuscht, nur einige andere Prinzen harrten dort mit mir aus, aber bald wurde es uns zu langweilig und wir beschlossen getrennter Wege zu gehen und unser Glück in heimatlichen Gefilden zu suchen. Einer machte sich noch an eine große, rundliche heran, die ihn aber ziemlich unsanft abblitzen ließ. „Mit so einem mickrigen Zwerg lasse ich mich nicht ein!“ und so machte sich auch Herbert unbefriedigt auf den Heimweg.

Als ich wieder an die heimatliche Burg kam, wollte mich die Wache zuerst kaum einlassen, erst eine Rückfrage an vorgesetzter Stelle gab mir grünes Licht. Drinnen kam sofort eine meiner Dienerinnen angesaust, um mir den mir gebührenden Respekt zu zollen, wie ich annahm. Sie aber meinte nur, „Haben wir dich also wieder, Loser? Wir hatten so gehofft, dass du eine Prinzessin abkriegst und für immer von uns gehst.“

„Wie redest du, Dienerin? Natürlich hätte ich gerne stramme Söhne mit einer Prinzessin gezeugt, aber es wollte diesmal eben nicht sein. Du wirst schon sehen, demnächst finde ich eine und dann werde ich eine ganz Armee von Prinzen zeugen!“ Die Dienerin bekam einen Lachkrampf „Dienerin? Gleichberechtigte Kooperativen-Fachkraft heißt das. Töchter hättest du gezeugt, Töchter wie mich, die zwar ihren Vater nicht kennen, aber im Gegensatz zu dir wenigstens einen haben. Hör zu, das ist der Deal: Du kannst bleiben und helfen die Burg zu klimatisieren, zu mehr bist du ohnehin nicht fähig, dann leistest du immerhin einen Beitrag fürs Gemeinwohl und kannst weiterhin mit uns essen, oder du trollst dich sofort, oder….“ Und nach diesem letzten Oder ließ sie kurz einen Dolch aufblitzen. Wahrscheinlich auch vergiftet.

So blieb ich noch ein paar Tage, aber die ständigen Sticheleien gingen mir langsam auf die Nerven „Friss nicht so viel, …richtig maßlos, …du wirst immer fetter, Vetter,“ und so weiter und so fort.

Da entschloss ich mich zu meinem großen Auftritt:

„Ruhe, Dienerinnen, ich habe es satt mich von euch runtermachen zu lassen. Ich bin stattlich, das ist halt meine Natur, ich bin nicht zur Arbeit geboren, dafür kann ich nichts, aber ich verlange jetzt auf der Stelle den mir zustehenden Platz neben meiner Frau Mutter, eurer Königin, an der Spitze dieser Gemeinschaft!“ Gut geblufft, dachte ich, die natürliche Autorität eines Prinzen werden sie schon anerkennen. Aber falsch gedacht, sofort umringten mich zehn oder mehr Dienerinnen mit gezücktem Dolch und mir gelang gerade noch so die Flucht aus der Burg. „Eifersüchtige Weiber!“ raunte ich der Wache zu „Nutzloser Drohn“ schimpften mir die Dienerinnen nach, „nicht einmal eine mehr als willige Prinzessin hast du beglücken können, impotenter Schwächling, lass dich hier bloß nie wieder blicken, sonst…..“ Der Rest blieb ungesagt, war aber deutlich.

So kam es, dass ich Junggeselle und allein blieb.

Namen, Orte und Handlung sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist natürlich, unbeabsichtigt und zufällig.

© Martin Siegel 2022

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