Hot summer

Sein Bentley Flying Spur wurde diesen Sommer durch einen Bentley Bentayga eingetauscht. Seiner Frau erklärte er ausführlich, dass heutzutage ein Hybrid das Mindeste sei, was umwelttechnisch noch vertretbar wäre. Natürlich musste Johann bei der Beschleunigung etwas Abstriche machen, er konnte aber mit den 5,5 Sekunden von Null auf Hundert gerade noch leben. Mit seinem Fahrstil erreichte er zwar nur 20 Kilometer elektrisch, wobei das völlig ausreichend war, da seine Frau und die Nachbarn den Bentley beim Wegfahren bzw. Heimkommen umweltschonend wahrnahmen. Seine Frau wunderte sich etwas über die SUV-Wahl, aber er wollte ja jetzt mehr wandern gehen und diese Bergstraßen wären mit dem Flying Spur einfach nur eine Qual. Auch heute am Donnerstag stand er schon früh auf, packte seinen kleinen Wanderrucksack und rollte mit dem Bentley leise aus der Villengegend. Seine Frau konnte wie üblich am Donnerstag nicht mitkommen, da zig Termine – vom Einkauf bis zur Pediküre – anstanden. Kaum war er auf der Autobahn wechselte er den Modus und der Motor heulte laut auf. Seine aufgestellten Nackenhaare bewiesen ihm, dass er endlich wieder auf dem richtigen Weg war. Er fuhr in Eben im Pongau ab, nach einiger Zeit eine Bergstraße hinauf, die in einen Schotterweg mündete und erreichte dann bald die Pfeiferalm, die Donnerstag immer Ruhetag hatte, da der Eigentümer ins Tal musste, um für Nachschub zu sorgen. Dessen hübsche Frau, blond, um die 30, am linken Arm bunt tätowiert, öffnete ihm.  Er wäre ganz verschwitzt, meinte sie. Ja, das würde stimmen, schließlich hätte er auch den Bentley nicht direkt vor der Alm abstellen wollen, sondern war mit seinem kleinen Rucksack schon fünf Minuten unterwegs. Sie küsste ihn, er schwitzte gefühlt noch mehr. Diese Treffen hatten seit zwei Monaten eine schöne Regelmäßigkeit und erfreuten ihn so, dass er meist sogar am Freitag bereit war, mit seiner Frau in die Oper zu gehen, wo meist noch andere Ehepaare die Beiden begleiteten. Sie waren schnell im Schlafzimmer mit herrlich duftendem Zirbenholz angekommen. Er redete sich auch gekonnt ein, dass er eigentlich wegen dem Zirbenholz und dessen Gesundheitseffekt vor Ort wäre. Natalie war dann so etwas wie eine schicksalhafte Draufgabe. Das Schlafzimmer der Alm hatte eine etwas enge Mansarde, sodass er sich beim Liebesspiel nicht das erste Mal den Kopf gestoßen hatte. Als sie gerade fertig waren, wollte er aufstehen und schlug wieder mal gegen das blöde Brett oberhalb seinen Kopfes. Dieses fiel aber diesmal herunter und heraus kam ein Schwarm von Bienen. Der erste Stich genau in seinem Po lies Natalie glauben, er wäre schon wieder bereit. Dann sah sie das Desaster und meinte er solle ganz ruhig bleiben. „Ganz ruhig, ganz ruhig!?“, schrie er und fuchtelte mit seinen Armen wildgestikulierend herum. Nach zig Stichen rannte er nackt mit seiner Kleidung in den Händen ins Freie Richtung Bentley. Selbst im Bentley konnten drei Bienen das Fahrzeuginnere erklimmen und er brauchte fast fünf Minuten, bis er alle erlegen konnte. Er war völlig zerstochen und fuhr ernüchternd mit seinem Bentayga Richtung Tal. Er nahm gar nicht mehr war, dass ihm Natalies Mann mit seinem Jeep entgegenkam. Dieser grinste, als er links zur Sprungalm abbog. Die dortige Wirtin umarmte ihn freudig und sie machten es sich gleich im Wohnzimmer bequem. Nachdem sie etwas später ganz befriedigt in der Küche einen Schnaps zu sich nahmen, dankte er ihr nochmals für den Tipp und den Bienenstock samt Bergbienenvolk, den sie ihm vor zwei Tagen geliehen hatte. „Kein Problem“, meinte die Wirtin, „mir ist der Bentley schon länger aufgefallen und auf der Alm, da halten wir zusammen“. „Und dort gibt es auch keine Sünde“, führte der Pfeiferalm-Eigentümer süffisant fort. Beide lachten, um ein wenig später die zweite Runde im Schlafzimmer einzuläuten. Als Johann mit dem Bentley und seiner Frau – die Reihenfolge entsprach seinem Zugang – in die Oper fuhr, erklärte er seiner Frau und den Anwesenden, dass er aufgrund der aggressiven Bergbienen, die ihm beim letzten Gipfelsieg die Freude grundlegend vergällten, nun wieder auf das Wandern zumindest in naher Zukunft verzichten würde. 

Harald, 29. Juli 2022.

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