Hotchkicks Tierfilm

Einmal wollte der bekannte Regisseur Elfrad Hotchkick einen Tierfilm drehen.

Er befragte Experten, welche Tiere sich besten dafür eigneten und sich am leichtesten dressieren ließen, damit er sie in seinem Werk möglichst vorteilhaft darstellen konnte.

Verhaltensbiologen rieten ihm zu Flöhen. Sie seien sehr gelehrig und lernwillig. Nicht von ungefähr seien die sprichwörtlichen Flohzirkusse in aller Munde.

Flöhe seien aber doch arg klein, erwiderte Hotchkick nach kurzem Nachdenken. Er wolle es vermeiden, den gesamten Streifen in Großaufnahme drehen zu müssen. Das ermüde nämlich das Kinopublikum. Ein wenig massereicher sollten die in Frage kommenden Tiere also allemal sein.

Das leuchtete den Biologen ein. Als Ersatz schlugen sie Bienen vor. Diese Hautflügler, erläuterten sie, verfügten über eine ganz außergewöhnliche Sozialstruktur, die sich vortrefflich filmisch ausfruchten ließe, wenn man den den Individuen übergeordneten Superorganismus, den sogenannten Bien, entsprechend instruiere und trainiere.

Hotchkick war überzeugt. Er verpflichtete ein halbes Dutzend namhafte Bienentrainer, die unverzüglich ihr Ausbildungsprogramm aufnahmen.

Während die Bienenschwärme unter Anleitung ihrer Instruktoren die als Höhepunkte des Films vorgesehenen Angriffsszenen übten, schrieb Elfrad Hotchkick rasch ein Drehbuch mit einer vorhersehbaren Beziehungshandlung zwischen einem Mann und mehreren Frauen.

Als erstes ließ der Regisseur die Innenszenen drehen. Nach einer groß angelegten Generalprobe meldeten die Instruktoren Hotchkick die Bereitschaft der Bienenvölker für die dramatischen Sequenzen, in denen sie die Darsteller attackieren sollten.

Der Regisseur bezog seine Stellung mitten auf dem Set in einem Schulgebäude, von welchem aus die Aufnahmen in alle Richtungen und aus verschiedenen Perspektiven vorgesehen waren.

Während Elfrad Hotchkick sich ein letztes Mal mit seinen Assistenten besprach, waren die Kameraleute bereits dazu angehalten, die angreifenden Bienenschwärme zu filmen, damit genug Material zusammenkam.

Plötzlich platzte ein Kameramann aufgeregt herein und unterbrach die Besprechung.

Draußen habe sich gerade etwas ereignet, rief er, dass Hotchkick sich unbedingt sofort ansehen müsse.

Der Regisseur stürzte ans Fenster und musste feststellen, dass die Bienen ausnahmslos verschwunden und ganz offensichtlich von Krähen gefressen worden waren, die jetzt zu Hunderten das Gelände draußen bevölkerten und bedrohliche Laute von sich gaben.

„Verdammte Mistviecher!“, schrie Hotchkick und hob drohend die Faust. „Ihr habt meinen Film ruiniert! Das zahle ich euch heim!“

Plötzlich wurde ihm jedoch klar, dass er schon so viel Zeit und Geld in sein Werk investiert hatte, dass ihm gar keine andere Wahl blieb, als die Aufnahmen mit den fiesen Vögeln fortzusetzen, die seine Bienen auf dem Gewissen hatten.

Er wies seine Kameraleute an, zu improvisieren und weiterzudrehen.

Als der Streifen schließlich in die Kinos gelangte, hoffte Hotchkick, dass das Publikum gnädig war, die Bienen nicht allzu sehr vermisste und die Vögel nicht auspfiff.

Die Kinobesucher fanden das fertige Werk zum Glück ganz passabel und bescherten Hotchkick schließlich gerade so viele Einnahmen, dass er pari ausstieg und keine Verluste erlitt.

Von der Produktion weiterer Tierfilme sah Elfrad Hotchkick verständlicherweise ab.

Michael, 9. September 2022

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