Über die Bienen, dachte Engelbert, war eigentlich alles gesagt, was es zu sagen gab. Er musste allerdings noch einen Artikel für die Imkerzeitung liefern, für den er bereits einen Vorschuss erhalten hatte, den er unter keinen Umständen zurückgeben wollte. Was also schreiben, dachte Engelbert, über die Bienen gab es nichts mehr zu schreiben, vielleicht aber von den Bienen! DIe Bienen selbst hatte nämlich noch nie jemand befragt. Engelbert entwarf also kurzerhand ein Bienophon, das er sich von einem Institut der Technischen Universität gleich bauen ließ und mit dem er die Hautflügler interviewen wollte. Zu diesem Zweck fuhr er ins Bienenzentrum nach Linz, wo er sich besonders kompetente Ansprechbienen erhoffte. Er brachte das Bienophon vor einer Gruppe von Stöcken in Position und schaltete es ein. Schon bald schwirrten die ersten Bienen neugierig um die kleine Landeplattform herum, die mit bienentauglichen Lautsprechern und Mikrophonen ausgestattet war. Engelbert sprach von oben in einen Schalltrichter, der über einen akustischen Schlauch mit dem eigentlichen Bienophon verbunden war, das die menschlichen Worte simultan ins Bienische übersetzte. Engelbert hatte sich ein paar freundliche Worte zurechtgelegt, die ihm helfen sollten, mit den Bienen ins Gespräch zu kommen. „Seid mir gegrüßt, ihr emsigen Insekten, die ihr uns Menschen allzeit ohne Murren mit eurem köstlichen Honig und mit Nektar und Ambrosia verwöhnt! Seid dafür herzlich bedankt! Unser ewiges Wohlwollen sei euch für euren selbstlosen Fleiß und Einsatz gewiss!“ Als er geendet hatte, ließen sich ein paar Bienen auf der Landeplattform vor dem Mikrofon nieder. Wenn Engelbert nicht genau gewusst hätte, dass dies unmöglich war, hätte er geschworen, dass die Bienen einen verdutzten und ungläubigen Gesichtsausdruck machten. Auf seiner Seite des Schalltrichters war plötzlich ein Knistern zu vernehmen, das abrupt aussetzte, als eine der Bienen klar und deutlich zu sprechen anfing. „Sag einmal, Alter, von welcher Leiter bist du denn gefallen? Was du da dahersülzt, ist ja der abgefuckteste Müll, der jemals meine ungewaschenen Ohren belästigt hat! Geht’s noch? Ewiges Wohlwollen? Ich glaub, es baggert! Seit tausend Jahren schon zocken deine Jungs und du uns ab! Ihr klaut uns unseren Honig und kippt uns eure ekelige Zuckerplörre hin, die wir ersatzweise saufen sollen. Das Zeug schmeckt echt unterirdisch, Alter, glaub mir, kannst du dir selber reinschütten, wo du willst, in jedes deiner stinkenden Körperlöcher! Und jetzt zieh Leine, mach einen Abgang, verpiss dich, sonst kriegst du selbstlos unsere Stachel in deine Kehrseite gerammt, dass du anschwillst wie ein aufgeblasenes Kondom!“ Erschrocken schaltete Engelbert den Apparat aus. Er schenkte das Bienophon dem Bienenzentrum, sagte aber, dass es noch nicht ausgereift sei und im Übersetzungsmodul stark verbessert werden müsse. Dann fuhr er zurück in die Hauptstadt, wo er in der Redaktion der Imkerzeitung schweren Herzens den Vorschuss für seinen Artikel zurückzahlte. Er hatte aber Glück. Im selben Bürogebäude befand sich auch die Redaktion des frisch gegründeten Mehlwürmermagazins, für das er locker eine launige Glosse aus dem Ärmel schüttelte.
Michael, 30. Dezember 2022